Arzneimittelgesetz: Die wichtigsten Neuerungen des Arzneimittelrechts nach der 13. AMG-Novelle

Das Arzneimittelrecht ist noch vor der vorgezogenen Bundestagswahl am 18.09.2005 in mehreren Gesetzesänderungen novelliert worden. Seit Anfang September ist die 13.  Novellierung des Arzneimittelgesetzes in Kraft. Sie dient u. a. der Umsetzung der geänderten Richtlinie über den Tierarzneimittelkodex. Die Änderungen sind insbesondere für Tierärzte und Apotheker von Interesse. So sind z. B. Erweiterungen der Abgabezeiträume für verschreibungspflichtige Arzneimittel (Ausnahme: Antibiotika), aber auch Beschränkungen bei der Einfuhr nach Deutschland vorgesehen. Es besteht Anpassungsbedarf in unterschiedlichen Bereichen. Dieser Beitrag wird die Gesetzesänderungen und damit einhergehende Handlungserfordernisse aufzeigen.

1.      Allgemeines

Die 13. Novellierung des Arzneimittelgesetzes richtet sich in erster Linie an Tierärzte und ist neben diesen für Unternehmen interessant, die ihrer Geschäftspraxis nach mit Tierärzten in Verbindung stehen. Die 13. AMG-Novelle knüpft an die 11. Novellierung an, deren Ziel es war, den Einsatz von Tierarzneimitteln durch Arzneimittelbestandsminimierung bei den Tierhaltern auf das therapeutisch unerlässliche Mindestmaß zu reduzieren. Sie dient in Teilen auch der Umsetzung der geänderten Richtlinie 2001/82/EG (durch RL 2004/28/EG).

2.       Zulassung/Herstellen

Das Gesetz ändert zunächst die Vorschriften über Zulassung und Herstellung (§ 21 AMG). Nunmehr dürfen gemäß § 21 Abs. 2a S. 2 AMG Arzneimittel auch für Tiere, die der Lebensmittelgewinnung dienen, in bestimmten Fällen (Therapienotstand) zulassungsfrei in der Apotheke hergestellt werden. Zudem wird die Ausnahmevorschrift in § 21 Abs. 2a S. 4 AMG erweitert. Danach gelten das Umfüllen, Abpacken und Kennzeichnen nicht als „Herstellen“ im Sinne des § 21 Abs. 2a S. 1 AMG, soweit

– keine Fertigarzneimittel in geeigneter Größe vorhanden sind (= alte Regelung) oder

– in sonstigen Fällen das Behältnis/die Verpackung, die unmittelbar mit dem Arzneimittel in Berührung kommt, nicht beschädigt wird (= neue Regelung).

Das bedeutet, dass nunmehr auch Umfüllungen etc. möglich werden, wenn geeignete Packungsgrößen im Handel erhältlich sind, sofern die Primärpackung nicht beschädigt wird. Dies gilt z. B. für Ampullen, spot-on-Tuben und Tabletten-Blister, die an den Nahtstellen getrennt werden dürfen.

3.     Abgabe von Arzneimitteln

§ 43 AMG (Apothekenpflicht u. a.) wird ergänzt durch die Klarstellung, dass Veterinärbehörden bestimmte Arzneimittel auch weiterhin zur Durchführung tierseuchenrechtlicher Maßnahmen unmittelbar an den Tierhalter abgeben dürfen (§ 43 Abs. 4 AMG). Gemäß § 43 Abs. 6 AMG dürfen Arzneimittel im Rahmen der Übergabe einer tierärztlichen Praxis an den Nachfolger im Betrieb der tierärztlichen Hausapotheke abgegeben werden.

a)      Abgabe von Fütterungsarzneimitteln

Gemäß § 56 Abs. 1 S. 2 AMG muss der Tierarzt im Falle der Verschreibung eines Fütterungsarzneimittels, dass unter bestimmten Voraussetzungen in der EU oder im EWR hergestellt wurde, der zuständigen Überwachungsbehörde unverzüglich eine Kopie der Verschreibung übersenden. Im Übrigen werden die Vorschriften über Fütterungsarzneimittel für der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere gemäß § 56 Abs. 5 AMG  den Regelungen für andere Tierarzneimittel angeglichen. Dies betrifft vor allem die zulässige Abgabemenge: bei verschreibungspflichtigen Arzneimittel-Vormischungen wird die 7-Tage-Regel auf 31 Tage erweitert mit Ausnahme von Arzneimitteln, die antimikrobiell wirksame Stoffe enthalten. Bei Antibiotika befürchtet man eine weitere Zunahme von Resistenz-Bildungen – für sie gilt weiterhin die 7-Tage-Regel (vorbehaltlich abweichender Zulassungsbedingungen). Die Verlängerung der Anwendungszeiträume wird vom Gesetzgeber damit begründet, dass sich in der Vergangenheit gezeigt habe, dass besonders die Behandlung von Erkrankungen mit endemischem Verlauf eine Flexibilisierung erfordere.

b)      Abgabe von Arzneimitteln in Übrigen

In § 56a wird die Abgabemenge zur Anwendung bei der Lebensmittelgewinnung dienenden Tieren entsprechend den soeben (a) genannten Zeiträumen angepasst. Nach dem neu gefassten § 56a Abs. 1 S. 2 AMG darf der Tierarzt verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Anwendung bei der Lebensmittelgewinnung dienenden Tieren für den jeweiligen Behandlungsfall erneut nur abgeben oder verschreiben, wenn er in einem Zeitraum von 31 Tagen vor dem Tag der letzten Anwendung eine Untersuchung durchgeführt hat.

Die Kaskadenregel betrifft das zulässige Verfahren einer Umwidmung von Arzneimitteln, wenn originär zur Behandlung vorgesehene/zugelassene Produkte nicht angewendet werden können. Die Anpassung der Kaskadenregel dient der Umsetzung der Richtlinie 2004/28/EG (zur Änderung des Tierarzneimittelkodex, 2001/82/EG). Sie besteht aus vier Stufen. Die erste Stufe, nach der zunächst Arzneimittel anzuwenden sind, die für die behandelte Tierart und ein anderes Behandlungsgebiet zugelassen sind, bleibt bestehen. Begründet wird dies vom Gesetzgeber mit dem Tierschutz und dem Verbraucherschutz. Die zweite Stufe betrifft die Substitution mit einem Arzneimittel, das für eine andere Tierart zugelassen ist. Hier fällt mit der 13. AMG-Novelle die Beschränkung auf Tiere, die nicht der Lebensmittelgewinnung dienen, weg. Die dritte Stufe sieht die Sustitution mit einem für die Anwendung beim Menschen zugelassenen Arzneimittel vor. Alternativ hierzu kann auch ein Tierarzneimittel mit europäischer Zulassung zur Anwendung kommen. Die vierte Stufe regelt die Substitution durch ein in einer Apotheke oder durch einen Tierarzt nach § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit. d AMG hergestelltes Arzneimittel. Danach stellt sich gemäß § 56a Abs. 2 AMG folgende Abstufung dar:

1. Stufe: Substitution mit Tierarzneimittel für behandelte Tierart und anderes Behandlungsgebiet.

2. Stufe: Substitution mit Tierarzneimittel für andere Tierart.

3. Stufe: Substitution mit Humanarzneimittel oder Tierarzneimittel mit EU/EWG-Zulassung

4. Stufe: Substitution durch Verdünnen.

Die Pflicht zur persönlichen Anwendung durch den Tierarzt bzw. zur Verabreichung unter seiner Aufsicht beschränkt sich gemäß Satz 2 nur noch auf Tiere, die der Lebensmittelgewinnung dienen.

4.      Wegfall Genehmigungsverfahren, Anzeigepflicht, § 73 Abs. 3 AMG

Eine weitere Liberalisierung tritt ein mit dem Wegfall des Genehmigungsverfahrens für die (Einzel)Einfuhr von Arzneimitteln zur Anwendung bei der Lebensmittelgewinnung dienenden Tieren. Anstelle der Genehmigungspflicht tritt eine Anzeigepflicht des Tierarztes gegenüber der zuständigen Behörde. Die Regelung gilt für alle Tierarzneimittel aus der EU und dem EWR ohne deutsche Zulassung, die in dem Staat, aus dem sie eingeführt werden sollen, verkehrsfähig sind. Voraussetzung dieser Einzeleinfuhr ist, dass

– sie von einer Apotheke oder von einem Tierarzt im Rahmen des Betriebs einer tierärztlichen Hausapotheke für die von ihm zu behandelnden Tiere bestellt werden,

– es sich um geringe Mengen des Arzneimittels handelt,

– die auf besondere Bestellung von Apotheken bezogen und

– nur im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs abgegeben werden.

Zudem dürfen Arzneimittel aus Nicht-EU/EWR-Staaten, die zur Anwendung bei der Lebensmittelgewinnung dienenden Tieren bestimmt sind, von Apotheken nur auf tierärztliche Verschreibung bezogen werden.

Tierärzte dürfen im Wege der Einzeleinfuhr nur Arzneimittel aus EU/EWG-Staaten beziehen und dies auch nur, wenn in Deutschland kein zur Erreichung des Behandlungsziels geeignetes Produkt verfügbar ist; gleiches gilt für Apotheken, wenn sie im Auftrag eines Tierarztes bestellen und an diesen abgeben. Dies stellt eine Einfuhrbeschränkung insbesondere für den Tierarzt dar. Er kann – mit Ausnahme von Humanarzneimitteln, die er in diesem Rahmen generell nicht mehr importieren darf – nur noch einführen, was er entsprechend den Vorschriften über die Umwidmungskaskade gemäß § 56a anwenden darf (s. o. 3. b). Für den Tierarzt ist somit eine Einfuhr aus Drittstaaten ausgeschlossen. Darüber hinaus ist ihm die Einzeleinfuhr von Humanarzneimitteln zu Umwidmungszwecken nicht mehr möglich. Nach dem Wortlaut des § 73 Abs. 3 S. 3 AMG dürfen

„Tierärzte … solche Arzneimittel nur beziehen, … soweit es sich um zur Anwendung bei Tieren bestimmte Arzneimittel … handelt“.

Der Tierarzt muss jede Bestellung, jeden Auftrag und jede Verschreibung unverzüglich der zuständigen Behörde anzeigen (Anzeigepflicht).

5.      Übergangsregelung

Gemäß § 140 AMG dürfen abweichend von § 56a Abs. 2 und § 73 Abs. 3 Arzneimittel bei Tieren, die nicht der Lebensmittelgewinnung dienen, noch bis zum 29. Oktober 2005 nach den alten Regelungen importiert, verschrieben, abgegeben und angewandt werden. Die Übergangsregelung fällt denkbar knapp aus. Dies mag mit der Ende Oktober auslaufenden Umsetzungsfrist für die Richtlinien zusammenhängen. Insbesondere die Tierärzte sind aufgrund der dargelegten Beschränkungen der Einzeleinfuhr gehalten, ihre Tätigkeiten rechtzeitig den neuen Reglungen  anzupassen. Im Übrigen (insbesondere bei Tieren, die nicht der Lebensmittelgewinnung dienen) sind keine Übergangsbestimmungen vorgesehen. Hier gelten bereits seit dem 02. September 2005 die neuen Vorschriften. Das betrifft auch die vorgenommenen Liberalisierungen (Herstellung, Umfüllen, Abpacken, Flexibilisierung 7-Tage-Regel u. a.).

Stand: 06.09.2005, Dr. Gordon Grunert, LL.M. Eur., www.anwaltskanzlei-grunert.de