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Nahrungsergänzungsmittel: Keine Mindestmengen für Zutaten

Die Anwendung der NemV in der Praxis deutscher Behörden und den diese „beratenden“ Untersuchungsämtern trifft zuweilen auf schwere juristische Bedenken. Zum Teil werden bereits die grundlegenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsanwendung missachtet oder sind unbekannt. Ein solcher Fall, der die Auslegung des Nahrungsergänzungsmittelbegriffs betrifft, gibt nun Anlass zur Auseinandersetzung mit der Legaldefinition unter Berücksichtigung des Legalitätsprinzips und der sog. 15%-Regel der NKV.

I. Fallkonstellation

Einem Nahrungsergänzungsmittelhersteller drohte die Untersagung des Inverkehrbringens seines Nahrungsergänzungsmittels. Das begutachtende Landesuntersuchungsamt (nachfolgend Amt) war der Meinung, es handele sich nicht um ein Nahrungsergänzungsmittel i. S. d. § 1 NemV bzw. Art. 2 der Richtlinie 2002/46/EG, weil bestimmte Mineralstoffe nicht in der Konzentration enthalten seien, die gemäß Anlage 1 NKV als signifikant gewertet werden können (sog. 15%-Regel). Konkret verhielt es sich so, dass das Produkt einige Mineralstoffe enthielt, die über 15% der in Anlage 1 NKV angegebenen Werte lagen; einige lagen darunter. Das Amt vertrat die Auffassung, der Nahrungsergänzungsmittelbegriff setze voraus, dass die Nährstoffe mit der angegebenen Tagesverzehrsempfehlung in ernährungsphysiologisch relevanten Mengen zugeführt werden. Dabei gälten bis zu einer gesetzlichen Regelung in Anlehnung an die Bestimmungen der NKV mindestens 15% der empfohlenen Tagesdosis eines Nährstoffs als signifikant. Da vorliegend die Mehrzahl der Zutaten die 15%-Marke unterschritten, läge kein Nahrungsergänzungsmittel vor, sodass der Vertrieb zu untersagen sei. Als Quellenbeleg nahm das Amt Bezug auf den Arbeitskreis Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des BVL (ALS).

II. Nahrungsergänzungsmittelbegriff

Die Erwägungen des Amtes zur Definition von Nahrungsergänzungsmitteln waren juristisch nicht haltbar. Weder der europäische noch der deutsche Nahrungsergänzungsmittelbegriff sehen tatbestandlich Mindestmengen an Zutaten vor. Gemäß § 1 NemV sind Nahrungsergänzungsmittel legal definiert wie folgt:

„(1) Nahrungsergänzungsmittel im Sinne dieser Verordnung ist ein Lebensmittel, das

1. dazu bestimmt ist, die allgemeine Ernährung zu ergänzen,

2. ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in Zusammensetzung darstellt und

3. in dosierter Form, insbesondere in Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen, in den Verkehr gebracht wird.

(2) Nährstoffe im Sinne dieser Verordnung sind Vitamine und Mineralstoffe, einschließlich Spurenelemente.“

Eine signifikante Menge i. S. einer Mindestmenge der einzelnen Nährstoffe ist in dieser Regelung nicht vorgesehen. Vielmehr genügt es nach Absatz 1 Nummer 2, dass Nährstoffe oder sonstige Stoffe mit ernährungsphysiologischer Wirkung enthalten sind.

Bei ihrer Rechtsanwendung müssen sich staatliche Stellen an das geltende Recht halten – Legalitätsprinzip. Dieses untersagt jedwede Ergänzung oder anderweitige Interpretation von Vorschriften, die sich so im Gesetz nicht wiederfinden. Daher verbietet sich eine „indirekte Anwendung der NKV“ als Hilfsmittel zur Ausfüllung des Nahrungsergänzungsmittelbegriffs.

Wenn Ämter auf Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2002/46/EG hinweisen, wonach, bezogen auf die vom Hersteller empfohlene Tagesdosis, Mindestmengen festzusetzen sind, so handelt es sich bei dieser Vorschrift nicht um ein Definitionskriterium des Nahrungsergänzungsmittelbegriffs, sondern um eine Regelung des Richtliniengebers zur Durchführung eines Verfahrens gemäß Art. 5 Abs. 4, 13 Abs. 3 i. V. m. Art. 5a Absätze 1 bis 4 und Art. 7 des Beschlusses 1999/468/EG unter Beachtung von dessen Artikel 8 zur Festsetzung der Mindestmengen. Solange dieses Verfahren nicht abgeschlossen, solange die Richtlinie nicht geändert und solange sie nicht in nationales Recht (NemV) umgesetzt ist, entfalten Mindestmengen für den Nahrungsergänzungsmittelbegriff keinerlei Relevanz.

III. Rechtslage zu Mindest- und Höchstmengenvorgaben der Kommission (Stand 12.09.2011)

Das BMELV teilt mit:

„Die Europäische Kommission hat im Juni 2006 ein Diskussionspapier zu der Festlegung von Höchst- und Mindestmengen an Vitaminen und Mineralstoffen veröffentlicht. Die Stellungnahmen der Interessengruppen finden sich dazu im Internet. Bis zum Inkrafttreten der vorgesehenen gemeinschaftsrechtlichen Höchstmengenregelungen ist im Einzelfall zu prüfen, ob ein spezielles Produkt den geltenden lebensmittelrechtlichen Vorschriften entspricht.“

Die EFSA äußert ähnliches. Dies bestätigt, dass das nationale Recht in seiner derzeit geltenden Fassung, vorliegend § 1 NemV, unabhängig von dem laufenden Kommissionsverfahren anzuwenden ist. Da § 1 NemV aktuelle Fassung keine Mindestmengen festlegt und diese auch nicht, über die NKV oder Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2002/46/EG „hineingelesen“ werden dürfen, sind Mengenverhältnisse für den Nahrungsergänzungsmittelbegriff aktuell irrelevant. Der EuGH hat hierzu folgendes klargestellt:

„Im Übrigen bleiben […], solange die Kommission nicht die Höchstmengen an Vitaminen und Mineralstoffen, die bei der Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden dürfen, nach Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2002/ 46 festgesetzt hat, die Mitgliedstaaten für die Festsetzung dieser Mengen zuständig und müssen sich bei der Ausübung dieser Zuständigkeit u. a. von den in Art. 5 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie genannten Kriterien leiten lassen. Nach Art. 3 der Richtlinie 2002/ 46 dürfen Nahrungsergänzungsmittel in der Union nur dann in den Verkehr gebracht werden, wenn sie den Vorschriften dieser Richtlinie entsprechen. Nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2002/ 46 dürfen überdies die Mitgliedstaaten den Handel mit Nahrungsergänzungsmitteln nicht aus Gründen ihrer Zusammensetzung, Herstellungsmerkmale, Aufmachung oder Kennzeichnung untersagen oder beschränken, wenn die Nahrungsergänzungsmittel dieser Richtlinie und den etwaigen zu deren Durchführung erlassenen Unionsbestimmungen entsprechen. Die Mitgliedstaaten verfügen nur noch über begrenzte Möglichkeiten, das Inverkehrbringen solcher Nahrungsergänzungsmittel zu beschränken. Art. 12 der Richtlinie 2002/ 46 sieht vor, dass ein Mitgliedstaat dann, wenn er mit eingehender Begründung anhand neuer Informationen oder einer neuen Beurteilung der vorliegenden Informationen nach dem Erlass dieser Richtlinie oder eines zu ihrer Durchführung erlassenen Unionsrechtsakts feststellt, dass ein Nahrungsergänzungsmittel die menschliche Gesundheit gefährdet, obwohl es den genannten Bestimmungen entspricht, die Anwendung der einschlägigen Bestimmungen in seinem Gebiet vorläufig aussetzen oder einschränken kann. Folglich ist die Anwendung des Art. 12 der Richtlinie 2002/ 46 von der Durchführung dieser Richtlinie, insbesondere ihres Art. 5, abhängig, d. h. von der Festsetzung der in diesem Artikel genannten Höchstmengen durch die Kommission. Da die Kommission aber diese Höchstmengen noch nicht festgesetzt hat, ist Art. 12 der Richtlinie 2002/ 46 nicht anwendbar. Insoweit ist zu beachten, dass die in Art. 5 der Richtlinie 2002/ 46 genannten Höchstmengen auf der Grundlage der in dieser Bestimmung enthaltenen Kriterien festgesetzt werden müssen.“ (EuGH, Urteil vom 29. 4. 2010 – C-446/08)

IV. Fazit

Die amtliche Rechtsanwendung begegnet bisweilen schweren Bedenken. Allzu oft sind nicht einmal die grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Exekutive (hier: Legalitätsprinzip) geläufig oder gelangen jedenfalls nicht zur Anwendung. Die behördlichen Rechtsanwender sind gehalten, die Rechtsauffassungen ihrer „beratenden Ämter“ sehr kritisch zu prüfen, bevor belastende Verfügungen erlassen werden.

Stand: 12.09.2011, Dr. Gordon Grunert, LL.M. Eur., www.anwaltskanzlei-grunert.de

Europarecht: Anforderungen an die Richtlinienumsetzung – inwieweit darf der nationale Gesetzgeber von den Vorgaben einer Richtlinie abweichen?

Die Mitgliedstaaten sind nach dem EG-Vertrag gehalten, EU-Richtlinien in das Recht des jeweiligen Staates zu transformieren bzw. ihr bestehendes Recht anzupassen. Oft stellt sich dabei die Frage, ob ein Mitgliedstaat berechtigt ist, über die Regelung der Richtlinie hinauszugehen, z. B. indem er ein weitergehendes Verbot kodifiziert, als dies die Richtlinie vorsieht. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, wie man die Regelungsdichte der zugrunde liegenden Richtlinie interpretiert: Regelt sie die Materie abschließend oder stellt die Richtlinie nur Mindestanforderungen, über welche der Staat hinausgehen darf? Die Rechtsmaterie hat erhebliche Bedeutung für die Beantwortung der Frage der Rechtmäßigkeit mitgliedstaatlicher Gesetze und deren Anwendung.

I.        Rechtlicher Rahmen

 1.             Primärrecht

Der Gemeinschaftsgesetzgeber ist bei der Wahl seiner Harmonisierungsmaßnahme grundsätzlich frei, d. h. es bleibt ihm überlassen, ob er sich z. B. für eine Verordnung oder eine Richtlinie entscheidet (vgl. Art. 249 EG). Aus dem Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 EG) folgt jedoch, dass unter sonst gleichen Gegebenheiten eine Richtlinie einer Verordnung vorzuziehen ist.[1] Denn der Gemeinschaftsgesetzgeber muss für jede Maßnahme eine möglichst einfache Form wählen, wobei er darauf achten muss, dass das Ziel der Maßnahme in zufriedenstellender Weise erreicht wird und die Maßnahme tatsächlich zur Anwendung gelangt. Dabei darf die Rechtsetzungstätigkeit der Gemeinschaft über das erforderliche Maß nicht hinausgehen (Art 5 Abs. 3 EG).

Aufschluss über die grundsätzlichen Anforderungen an die Regelungsdichte von Richtlinien, d. h. in der Intensität, mit der sich eine Richtlinie einer Rechtsmaterie annehmen muss, gibt in erster Linie der EG-Vertrag. Gemäß Art. 249 EG erlassen das Europäische Parlament und der Rat gemeinsam, der Rat und die Kommission zur Erfüllung ihrer Aufgaben und nach Maßgabe des EG-Vertrags Verordnungen, Richtlinien und andere Rechtsvorschriften. Während die Verordnung allgemeine Geltung hat, in allen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt, ist die Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel (Art. 249 Abs. 3 EG). Daraus folgt, dass eine wortgenaue Umsetzung von Richtlinien nicht erforderlich ist. Vielmehr muss nur deren wesentlicher Regelungsgehalt, der zur Umsetzung des Richtlinienziels dient, in den Regelungen der Mitgliedstaaten wiederkehren. Der Regelungsgehalt ist zwar bei jeder Richtlinie unterschiedlich. Indessen verfolgt jede Richtlinie das Ziel, zur Harmonisierung einer bestimmten Rechtsmaterie beizutragen. Die Richtlinie ist eines der Mittel zur Umsetzung der in Kapitel 3 EG enthaltenen Regelungen zur Angleichung von Rechtsvorschriften (Art. 94 ff. EG). Die Richtlinien werden vom Rat erlassen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten.

Im Rahmen der Richtliniensetzung hat der Richtliniengeber die allgemeinen Grundsätze des Primärrechts zu berücksichtigen. Insbesondere ist von der Gemeinschaft ein System zu verfolgen, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschungen schützt und – soweit dies für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich ist – die Angleichung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften betreibt (Art. 3 Abs. 1 lit. g und h EG). Zudem sind die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet (Art. 4 Abs. 1 EG), welcher durch Mitwirkungspflichten der Mitgliedstaaten unterstrichen wird (Art. 10 EG), zu denen auch die korrekte Richtlinienumsetzung gehört.

Gemäß Art. 14 Abs. 1 EG trifft die Gemeinschaft alle erforderlichen Maßnahmen, um den Binnenmarkt schrittweise zu verwirklichen. Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen dieses Vertrags gewährleistet ist (Art. 14 Abs. 2 EG). In diesen Zusammenhang sind die Vorschriften zur Gewährleistung der Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit besonders hervorzuheben (Art. 28, 30; 49 ff. EG). Eine unzutreffende Richtlinienumsetzung kann den Waren- bzw. Dienstleistungsverkehr insoweit behindern, als das Harmonisierungsziel des Richtliniengebers unterlaufen wird. Insoweit ist auf die Vorschriften des Art. 95 Abs. IV und V ff. EG hinzuweisen, die den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnen, ihre Ausnahmeregelungen zu legitimieren, indem sie sich mit der Kommission ins Benehmen setzen, soweit sie eine von der Richtlinie abweichende innerstaatliche Vorschrift bestehen lassen oder erlassen wollen.

Insgesamt legt das Primärrecht einen allgemeinen Rahmen fest, den Richtlinien in Bezug auf die Regelungsdichte erfüllen müssen. Die einzelnen Rechtsmaterien, die zu harmonisieren sind, sich zu mannigfaltig, um hier genauere Anforderungen festzulegen. Daher lässt sich die Frage nach dem Höchststandard nicht ohne genauere Analyse des speziellen Sekundärrechts beantworten.

2.       Sekundärrecht

Die Richtlinien fallen in ihrer Regelungsdichte sehr unterschiedlich aus. Während einige nur grobe Vorgaben liefern, die einer detaillierten Konkretisierung durch die transformierenden Staaten bedürfen, sehen andere Richtlinien bereits detailgenaue Regelungen vor, welche dem Mitgliedstaat wenig Spielraum lassen. Letztlich kann nur eine genaue Untersuchung der jeweiligen Richtlinie Aufschluss über deren Regelungsdichte geben und helfen die Frage zu beantworten, ob diese Richtlinie einen Höchststandard setzt, der es dem Mitgliedstaat verbietet, strengere Regelungen zu erlassen bzw. anzuwenden.

II.       Der Streitstand in der deutschen Rechtsprechung und Literatur anhand des Heilmittelwerberechts

In der Rechtsprechung und Literatur wird die Frage, inwieweit Richtlinien einen abschließenden Höchststandard setzen, kontrovers behandelt. Eine gute Beispielsmaterie bildet das Europäische Heilmittelwerberecht und dessen Umsetzung in Deutschland. Das Heilmittelwerbegesetz (HWG), welches die Richtlinie 92/28/EWG des Rates vom 31. März 1992 über die Werbung für Humanarzneimittel[2] umgesetzt hat, enthält verschiedene Regelungen, die strenger ausfallen, als diejenigen der Richtlinie. Während z. B. § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG bei der Öffentlichkeitswerbung Äußerungen Dritter, insbesondere mit Dank-, Anerkennungs- und Empfehlungsschreiben, generell verbietet, sieht Art. 90 lit. j der geänderten Richtlinie 2001/83/EG lediglich ein Werbeverbot vor für Elemente der Öffentlichkeitswerbung, sich in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise auf Genesungsbescheinigungen beziehen.

Art. 90 der geänderten Richtlinie 2001/83/EG enthält eine detaillierte Regelung zur Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel. Artikel 90 der geänderten Richtlinie 2001/83/EG lautet:

Die Öffentlichkeitswerbung für ein Arzneimittel darf keine Elemente enthalten, die

a) eine ärztliche Untersuchung oder einen chirurgischen Eingriff als überflüssig erscheinen lassen, insbesondere dadurch, dass sie eine Diagnose anbieten oder eine Behandlung auf dem Korrespondenzwege empfehlen;

b) nahe legen, dass die Wirkung des Arzneimittels ohne Nebenwirkungen garantiert wird oder einer anderen Behandlung oder einem anderen Arzneimittel entspricht oder überlegen ist;

c) nahe legen, dass die normale gute Gesundheit des Patienten durch die Verwendung des Arzneimittels verbessert werden könnte;

d) nahe legen, dass die normale gute Gesundheit des Patienten im Falle der Nichtverwendung des Arzneimittels beeinträchtigt werden könnte; dieses Verbot gilt nicht für Impfkampagnen im Sinne von Artikel 88 Absatz 4;

e) ausschließlich oder hauptsächlich für Kinder gelten;

f) sich auf eine Empfehlung von Wissenschaftlern, von im Gesundheitswesen tätigen Personen oder von Personen beziehen, die weder Wissenschaftler noch im Gesundheitswesen tätige Personen sind, die aber aufgrund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen können;

g) das Arzneimittel einem Lebensmittel, einem kosmetischen Mittel oder anderen Gebrauchsgütern gleichsetzen;

h) nahe legen, die Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels sei darauf zurückzuführen, dass es sich um ein Naturprodukt handle;

i) durch eine ausführliche Beschreibung oder Darstellung der Anamnese zu einer falschen Selbstdiagnose verleiten könnten;

j) sich in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise auf Genesungsbescheinigungen beziehen;

k) in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise bildliche Darstellungen der Veränderungen des menschlichen Körpers aufgrund von Krankheiten oder Schädigungen oder der Wirkung eines Arzneimittels im menschlichen Körper oder in Körperteilen verwenden.

Ein weiteres Beispiel divergierender innerstaatlicher Vorschriften bildet § 11 Abs. 1 Nr. 13 HWG, wonach Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel nicht mit Preisausschreibungen, Verlosungen oder anderen Verfahren, deren Ergebnis vom Zufall abhängig ist, stattfinden darf. Die insoweit einschlägige EG-Norm, Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG (Art. 90 regelt diese Materie nicht), sieht dagegen nur folgendes vor:

Die Arzneimittelwerbung

– muss einen zweckmäßigen Einsatz des Arzneimittels fördern, indem sie seine Eigenschaften objektiv und ohne Übertreibung darstellt;

– darf nicht irreführend sein.

Teile der Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass die Richtlinie 92/28/EWG (nunmehr RL 2001/83/EG) lediglich Mindestanforderungen an die Öffentlichkeitswerbung stellt.[3] Erwägungsgrund 2 der Richtlinie 2004/27/EG stelle klar, dass noch weitere Maßnahmen zur Beseitigung bestehender Hemmnisse für den freien Handel erforderlich seien. Dass die Gemeinschaftsgesetzgeber weitere Maßnahmen ergreifen wolle, zeige dass noch keine vollständige Harmonisierung dieses Bereichs erfolgt sei. Zwar enthalte die Richtlinie eine Tendenz zur Vollharmonisierung, was aber nicht bedeute, dass eine solche bereits vorliege. Dementsprechend formuliere die Richtlinie z. T. ausdrücklich nur Mindestanforderungen[4], ohne diese als Ausnahme kenntlich zu machen. Zudem ergebe sich aus Erwägungsgrund 42 der Richtlinie 2001/83/EG[5], dass die Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 über irreführende und vergleichende Werbung neben der Richtlinie 2001/83/EG anwendbar bleibt. Insofern könne die Richtlinie 2001/83/EG keinen Höchststandard setzen, da Art. 7 der Richtlinie 84/450/EWG den Mitgliedstaaten weitergehende Maßnahmen erlaube.

Der Bundesgerichtshof, das Kammergericht und Teile der Literatur sind anderer Auffassung.[6] Danach liegt mit Art. 90 der Richtlinie 2001/83/EG eine abschließende Regelung vor, die einen Höchststandard setzt. Grundsätzlich setze die Richtlinie einen abschließenden Höchststandard, soweit nicht einzelne Vorschriften ausdrücklich nur Mindestanforderungen beinhalten.[7] Dafür sprächen Sinn und Zweck der Richtlinie, welche zudem ausdrücklich auf den EG-Vertrag gestützt sei und somit eine Maßnahme zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften sei, die die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand habe. Das Binnenmarktziel würde konterkariert, ginge man nur von Mindestanforderungen aus. Dies gelte umso mehr, als die Richtlinie auch das Recht der Verbraucher schütze. das Spannungsverhältnis zwischen einem reibungsfreien Absatz und dem Verbraucherschutz habe der Richtliniengeber bei der Rechtssetzung berücksichtigt und verbindlich austariert.[8] Des Weiteren führt der BGH die Änderung der Richtlinie 2001/83/EG ins Feld: die Änderungsrichtlinie 2004/27/EG führe in Erwägungsgrund 2 S. 2 aus, die Erfahrung habe gezeigt, dass weitere Maßnahmen erforderlich seien, um die noch bestehenden Hemmnisse für den freien Handel zu beseitigen. Daher müssten, so der Erwägungsgrund 3, die nationalen Rechtsvorschriften einander angenähert werden, damit das Funktionieren des Binnenmarktes verbessert und gleichzeitig ein hohes Niveau des menschlichen Gesundheitsschutzes erreicht werden könne. Daraus folgert der BGH, dass das für einen Höchststandard, also eine abschließende Regelung, sprechende Integrationsinteresse nicht nur gleichberechtigt neben dem Gesundheitsinteresse stehe, sondern sogar die Änderung der Richtlinie 2001/83/EG veranlasse.[9] Schließlich spreche die Entscheidung des EuGH in Sachen Doc Morris[10] für den abschließenden Charakter der Richtlinie 2001/83/EG: Wenn Art. 88 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG nicht dahin ausgelegt werden könne, dass er die Werbung für den Versandhandel mit Arzneimitteln erfasst und Art. 88 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG einem Verbot nach § 8 Abs. 1 HWG entgegenstehe, soweit er sich auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel bezieht, dann müsse zumindest Art. 88 einen Höchststandard setzen.[11]

III.      Die Entscheidung des EUGH

Der Streit ist nach der Entscheidung des EuGH nicht generell, zumindest in Bezug auf das Heilmittelwerberecht entschieden. Der BGH hat die Frage, ob die Vorschriften der Richtlinie 2001/83/EG, welche die Bezugnahme auf Äußerungen fachunkundiger Dritter und die Werbung mit Auslosungen betreffen, nicht nur einen Mindest-, sondern einen abschließenden Höchststandard für die Verbote der Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel setzen, dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens vorgelegt. Mit Urteil vom 08.11.2007 hat der EuGH entschieden, dass die Richtlinie insoweit einen Höchststandard setzt.[12] Daher ist es den Mitgliedstaaten untersagt, dieses System mit Maßnahmen, die strenger sind als dasjenige der Richtlinie, zu unterlaufen. Die deutschen Bezugsnormen des Heilmittelwerberechts sind somit EU-rechtswidrig, soweit sie über die Richtlinie hinausgehen.

Der EuGH ist mit seiner Entscheidung der Auffassung des Generalanwalts Dámaso Ruiz-Jarabo Colomer im Wesentlichen gefolgt. Er stellt zunächst darauf ab, dass verschiedene Vorschriften der Richtlinie 2001/83/EG diejenigen Fälle, in denen der nationale Gesetzgeber befugt ist, von den Regelungen der Richtlinie abzuweichen, ausdrücklich geregelt sind. Art. 88 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG berechtige die Mitgliedstaaten, in ihrem Gebiet die Öffentlichkeitswerbung für erstattungsfähige Arzneimittel zu untersagen. Art. 89 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2001/83/EG führe nicht abschließend auf, welche Angaben die Öffentlichkeitswerbung zwingend enthalten muss. Insoweit lasse die Vorschrift den Mitgliedstaaten einen Spielraum. Des Weiteren erlaube Art. 89 Abs. 2 bestimmte Formen der Erinnerungswerbung. Weiterhin verweist der EuGH auf Befugnisse zur Abweichung in Art. 91, 96 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG. Die genannten Sondervorschriften der Richtlinie 2001/83/EG erlauben nach Auffassung des EuGH den Schluss, dass mit dieser Richtlinie eine Vollharmonisierung des Bereichs der Arzneimittelwerbung erfolgt sei, wobei die Fälle, in denen die Mitgliedstaaten befugt sind, Bestimmungen zu erlassen, die von der in der Richtlinie getroffenen Regelung abweichen, ausdrücklich aufgeführt sind.

Der EuGH tritt der Auffassung entgegen, aus Erwägungsgrund 2 der Richtlinie 2004/27/EG folge ein Mindeststandard, weil der Gemeinschaftsgesetzgeber weitere Maßnahmen für erforderlich halte, indem er klarstellt, dass es dem Gemeinschaftsgesetzgeber unbenommen bleibt, die Vorschriften der Richtlinie 2001/83/EG erforderlichenfalls anzupassen oder neue Vorschriften einzuführen.

Des Weiteren könne dem Vorbringen nicht gefolgt werden, ein Mindeststandard ergebe sich aus der gemäß Erwägungsgrund 42 der Richtlinie 2001/83/EG weiterhin gegebenen Anwendbarkeit der Richtlinie 84/450/EWG. Die Tatsache, dass die Richtlinie 84/450/EWG nur eine Mindestharmonisierung vornehme, sei für die Frage, wie weit die Richtlinie 2001/83/EG harmonisiert, unerheblich, da die Richtlinie 2001/83/EG eine Sonderregelung gegenüber der anderen Richtlinie darstelle.

Schließlich folge aus dem Wortlaut, der Systematik und dem Zweck der Bestimmungen der Richtlinie 2001/83/EG über die Arzneimittelwerbung, dass mit dieser Richtlinie die substanziellen Anforderungen an die Arzneimittelwerbung festgelegt werden sollten.

IV.     Stellungnahme / Zusammenfassung

Dem EuGH ist uneingeschränkt zuzustimmen. Die Regelungsdichte des Europäischen Heilmittelwerberechts – kodifiziert in der geänderten Richtlinie 2001/83/EG – ist ausreichend, um die Grundsätze der Heilmittelwerbung festzulegen. Die Richtlinie legt die Anforderungen an die Heilmittelwerbung in ihren Einzelheiten fest. Eine überschießende Umsetzung durch den Gesetzgeber des jeweiligen Mitgliedstaats verbietet sich daher. Zudem ist folgendes zu berücksichtigen:

Bereits aus dem Primärrecht folgt der Grundsatz, dass eine Richtlinie in ihrem wesentlichen Regelungsgehalt für die Mitgliedstaaten verbindlich ist. Wäre dies anders, verfehlte man in der Tat den Sinn und Zweck der Richtliniensetzung, nämlich die Harmonisierung des Europäischen Rechts. Zwar ist auch der Spielraum zu berücksichtigen, der den Adressaten der Richtlinie im Gegensatz zur Verordnung, die in all ihren Teilen verbindlich ist, eingeräumt wird. Da Richtlinien jedoch kraft Primärrechts in erster Linie ihren Harmonisierungszweck erfüllen müssen, spricht viel für die Auffassung, dass diese grundsätzlich einen Höchststandard festlegen. Eine Auseinandersetzung des EuGH mit diesen primärrechtlichen Erwägungen wäre wünschenswert gewesen.[13] Dem Ziel der Harmonisierung des Rechts sollte gegenüber dem Umsetzungsspielraum des nationalen Gesetzgebers grundsätzlich der Vorrang eingeräumt werden. Dem mitgliedstaatlichen Gesetzgeber sollte es also grundsätzlich verwehrt bleiben, überschießende Regelungen zu erlassen, die eine Abweichung zu Lasten der Harmonisierung bewirken würden, es sei denn, die Richtlinie legt ausdrücklich einen Mindeststandard für die jeweilige Regelungsmaterie fest.

Stand: 25.02.2008, Dr. Gordon Grunert, LL.M. Eur., www.anwaltskanzlei-grunert.de


[1] Vgl. 1. Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, Amtsblatt Nr. C 340 vom 10. November 1997.

[2] Die Heilmittelwerberichtlinie (RL 92/28/EWG) ist mittlerweile in der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, geändert durch die Richtlinie 2004/27/EG, aufgegangen (vgl. Erwägungsgrund 1 RL 2001/83/EG).

[3] OLG Frankfurt a. M. GRUR-RR 2004, 273; GRUR Int. 2002, 931; OLG Hamburg, GRUR-RR 2002, 363/364; Bülow/Ring, HWG, 2. Aufl. (2001), Einführung Rn. 5a – Auffassungen z. T. noch zur Richtlinie 92/28/EWG, jedoch auf das neue Recht übertragbar.

[4] Z. B. Art. 89 Abs. 1 lit. b RL 2001/83/EG: Mindestangaben bei der Werbung: Name des Arzneimittels sowie die gebräuchliche Bezeichnung, wenn das Arzneimittel nur einen Wirkstoff enthält; die für eine sinnvolle Verwendung des Arzneimittels unerlässlichen Informationen; eine ausdrückliche und gut erkennbare Aufforderung je nach Fall, die Hinweise auf der Packungsbeilage oder auf der äußeren Verpackung aufmerksam zu lesen.

[5] Vgl. Erwägungsgrund 1 der Richtlinie 92/28/EWG.

[6] BGH, Beschl. v. 21. Juli 2005 – I ZR 94/02; KG GRUR 1995, 684/688; Doepner, HWG, 2. Aufl. 2000, Einl. Rn. 24 ff.; Gröning, HWG, Bd. 2, Einl. Rn. 21 ff. – Auffassungen z. T. noch zur Richtlinie 92/28/EWG, jedoch auf das neue Recht übertragbar.

[7] A. a. O., zur Richtlinie 92/28/EWG.

[8] A. a. O.; vgl. im Einzelnen zu den Regelungen des Primärrechts: oben I. 1.

[9] BGH, Beschl. v. 21. Juli 2005 – I ZR 94/02.

[10] EuGH, Urt. v. 11.12.2003 – C-322/01, GRUR 2004, 174.

[11] Fn. 8, a. a. O.

[12] EuGH, Urt. v. 08.11.2007 – C-374/05.

[13] Der EuGH hat die Frage, ob Richtlinien generell einen Höchststandard festsetzen, nicht beantworten müssen, da er sich nur auf den vom BGH im Vorlageverfahren konkret vorgelegten Fall beschränken durfte.

EuGH: Knoblauchpräparate keine Arzneimittel

In der Publikation vom 07.09.2007 war bereits ausführlich zu den Schlussanträgen der Generalanwältin Verica Trstenjak zur lebensmittelrechtlichen Einstufung von Knoblauchkapseln referiert worden. Der EuGH ist den Anträgen nunmehr erwartungsgemäß gefolgt. Insbesondere führt der EuGH in seiner Entscheidung vom 15. November 2007 (C-319/05) in Bezug auf die Funktionsarzneimitteleigenschaft aus:

„Anders als der Begriff des Arzneimittels nach der Bezeichnung, dessen weite Auslegung die Verbraucher vor Erzeugnissen schützen soll, die nicht die Wirksamkeit besitzen, welche sie erwarten dürfen, soll der Begriff des Arzneimittels nach der Funktion diejenigen Erzeugnisse erfassen, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt wurden und die tatsächlich dazu bestimmt sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen oder physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu bessern oder zu beeinflussen. […] Deshalb […] ist es nicht ausreichend, dass ein Erzeugnis Eigenschaften besitzt, die der Gesundheit im Allgemeinen förderlich sind, sondern es muss wirklich die Funktion der Verhütung oder Heilung besitzen.

Diese Feststellung gilt umso mehr für Erzeugnisse, die zusätzlich zu ihrer Eigenschaft als Lebensmittel anerkanntermaßen förderliche Wirkungen für die Gesundheit besitzen. Wie die Generalanwältin in Nr. 60 ihrer Schlussanträge dargelegt hat, gibt es nämlich zahlreiche allgemein als Lebensmittel anerkannte Erzeugnisse, die objektiv für therapeutische Zwecke verwendet werden können. Dieser Umstand kann jedoch nicht genügen, um ihnen die Eigenschaft eines Arzneimittels im Sinne der Richtlinie 2001/83 zu verleihen.“ (EuGH, Urt. v. 15.11.2007, C-319/05 – Knoblauchkapseln, Rz. 61, 64, 65).

Zwar ist die erhoffte Konkretisierung und Vertiefung der Ansätze der Generalanwältin ausgeblieben. Ebenso konnte sich der EuGH nicht dazu durchringen, den außerordentlich schwer definierbaren und z. T. sogar bestrittenen Begriff der pharmakologischen Eigenschaften zu konkretisieren. Gleichwohl ist dieses Urteil sehr erfreulich, da es einen großen Beitrag zur Rechtssicherheit leistet und insbesondere den Überwachungsbehörden ein klares Zeichen setzt, welche Maßstäbe in Zukunft bei der Subsumtion bestimmter Produkte unter die arzneimittel- und lebensmittelrechtlichen Begrifflichkeiten gelten.

Stand: 10.12.2007, Dr. Gordon Grunert, LL.M. Eur., www.anwaltskanzlei-grunert.de

 

Diätetische Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel: Abgrenzung, Möglichkeiten und Grenzen

Unternehmen der Lebensmittelbranche, die Produkte mit besonderer Zweckbestimmung an den Markt bringen wollen, die nicht zu den Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs gehören, stehen vor der Entscheidung, in welche Lebensmittelkategorie ihr Produkt eingestuft werden soll. Von dieser Entscheidung hängt ab, wie das Erzeugnis zu kennzeichnen ist und wie es beworben werden darf. Häufig kommen sowohl Nahrungsergänzungsmittel als auch diätetische Lebensmittel in Betracht. Beide Kategorien haben unterschiedliche Anforderungen und Möglichkeiten der Kennzeichnung und Bewerbung. Die Kenntnis der wesentlichen Abgrenzungskriterien, Möglichkeiten und Grenzen sind für die unternehmerische Entscheidung, welcher Produktkategorie er sich zuwendet,  von erheblicher Bedeutung.

I. Gesetzliche Vorgaben für diätetische Lebensmittel

1. EU-Recht

Die europäischen Vorgaben für diätetische Lebensmittel finden sich in der Richtlinie 89/398/EWG des Rates vom 03.05.1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind. Diese Richtlinie ersetzt die ursprünglich zur Regelung dieser Materie erlassene Richtlinie 77/94/EWG, die zwischenzeitlich mehrfach geändert worden war. Die europäische Regelung dient der Angleichung der Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen der Mitgliedstaaten und dem Schutz der Verbraucher vor Täuschungen und Fehlkennzeichnungen. Ergänzend zu den Spezialvorschriften der Richtlinie sind diejenigen der EG-Basisverordung[1] sowie der Healthclaims-Verordnung[2] hinzuzuziehen.

a) Definition

Die Richtlinie bezieht sich auf Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind (Art. 1 Abs. 1). Das sind Lebensmittel, die sich aufgrund ihrer besonderen Zusammensetzung oder des besonderen Verfahrens ihrer Herstellung deutlich von den Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs unterscheiden, die sich für den angegebenen Ernährungszweck eignen und mit dem Hinweis darauf in den Verkehr gebracht werden, dass sie für diesen Zweck geeignet sind. Des Weiteren beschränkt die Regelung den Anwendungsbereich auf bestimmte Verbrauchergruppen. Eine besondere Ernährung muss danach den besonderen Ernährungserfordernissen folgender Verbrauchergruppen entsprechen:

– bestimmter Gruppen von Personen, deren Verdauungs – bzw. Resorptionsprozess oder Stoffwechsel gestört ist, oder

– bestimmter Gruppen von Personen, die sich in besonderen physiologischen Umständen befinden und deshalb einen besonderen Nutzen aus der kontrollierten Aufnahme bestimmter in der Nahrung enthaltener Stoffe ziehen können, oder

– gesunder Säuglinge oder Kleinkinder.

b) Kennzeichnung und Werbung

aa) Allgemeine Erfordernisse an die Kennzeichnung und Werbung

Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 89/398/EWG sieht vor, dass nur diejenigen diätetischen Lebensmittel der ersten beiden oben aufgezählten Verbrauchergruppen (s. o. I. 1. a) mit dem Wort „diätetisch“ gekennzeichnet werden dürfen. Die Gruppe der gesunden Säuglinge und Kleinkinder ist davon ausgenommen. Das bedeutet, dass sich die Bezeichnung „diätetisch“ nur noch auf Personengruppen beziehen darf, deren Verdauungs- bzw. Resorptionsprozess oder Stoffwechsel gestört ist oder die sich aufgrund besonderer physiologischer Umstände die kontrollierte Aufnahme in der Nahrung erhaltener Stoffe nutzbar machen können. Ein Hinweis auf die Eignung des Produktes für den angegebenen Ernährungszweck ist schon per definitionem vorgeschrieben (Art. 1 Abs. 2 lit. a). Gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 der Richtlinie 89/398/EWG dürfen die Kennzeichnung des diätetischen Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, die Aufmachung und die Werbung diesem Erzeugnis keine Eigenschaften zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder auf diese Eigenschaften hinweisen. Zur Verkehrsbezeichnung muss auch die Angabe der besonderen nutritiven Eigenschaften des Produkts gehören; bei Produkten zur Ernährung von gesunden Säuglingen und Kleinkindern durch die Angabe des Zwecks, für den sie bestimmt sind. Im Übrigen gelten die allgemeinen Anforderungen der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (Etikettierungsrichtlinie).

bb) Besondere Erfordernisse an die Kennzeichnung

Bei der Prüfung der besonderen Kennzeichnungserfordernisse ist zu unterscheiden zwischen Erzeugnissen, deren Kennzeichnung von den Vorschriften der Richtlinie 89/398/EWG erfasst wird und solchen, für die Sondervorschriften in Form sog. Einzelrichtlinien gelten. Letztere sind (Anhang 1 der Richtlinie 89/398/EWG):

–    Säuglingsfertignahrung,

–    Folgemilch und andere Folgelebensmittel,

–    Sonstige Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder,

–    Lebensmittel mit niedrigem oder reduziertem Brennwert zur Gewichtsüberwachung,

–    Diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten),

–    Natriumarme Lebensmittel einschließlich Diätsalze, die einen niedrigen Natriumgehalt aufweisen oder natriumfrei sind,

–    Glutenfreie Lebensmittel,

–    Lebensmittel für intensive Muskelanstrengungen, vor allem für Sportler,

–    Lebensmittel für Personen, die unter einer Störung des Glucosestoffwechsels leiden (Diabetiker).

Für diese Produkte ergibt sich das Nähere aus Spezialregelungen. Den Rahmen für die Ausgestaltung dieser Einzelrichtlinien bildet Art. 4 Abs.1 RL 398/EWG (neben der Kennzeichnung und Werbung z. B. Zusammensetzung, Qualität der Ausgangsstoffe, Hygiene).

Für die Produkte, die keinen Einzelrichtlinien unterliegen gilt hinsichtlich der besonderen Kennzeichnungserfordernisse folgendes (Art. 7 Abs. 3 RL 89/398/EWG):

Die Kennzeichnung muss umfassen:

–    die Besonderheiten der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung oder den besonderen Herstellungsprozess, durch die das Erzeugnis seine besonderen nutritiven Eigenschaften erhält,

–    den in kJ und kcal ausgedrückten physiologischen Brennwert sowie den Gehalt an Kohlehydraten, Eiweißstoffen und Fetten auf je 100 g oder 100 ml des in den Handel gebrachten Erzeugnisses und gegebenenfalls auf die für den Verzehr vorgeschlagene Menge bezogen, sofern das Erzeugnis in dieser Weise angeboten wird . Beträgt dieser Brennwert jedoch weniger als 50 kJ (12 kcal) in 100 g oder 100 ml des in den Handel gebrachten Erzeugnisses, so können die Angaben durch den Hinweis „Brennwert unter 50 kJ (12 kcal) in 100 g“ oder “ Brennwert unter 50 kJ (12 kcal) in 100 ml“ ersetzt werden.

c) Sonderregelungen für Bilanzierte Diäten (diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke)

Einen Spezialfall der diätetischen Lebensmittel bilden die sog. Bilanzieren Diäten. Hierbei handelt es sich um diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke nach der gleichnamigen Richtlinie 1999/21/EG der Kommission vom 25.03.1999. Diese Richtlinie baut auf der vorstehend erläuterten Richtlinie 89/398/EWG auf. Bei der Einstufung ist also zunächst zu prüfen, ob es sich bei dem Produkt um ein diätetisches Lebensmittel im Allgemeinen handelt, bevor man zur Einstufung als bilanzierte Diät im Besonderen übergeht.

aa) Definition

Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke bezeichnet eine Kategorie von Lebensmitteln für eine besondere Ernährung, die

–  auf besondere Weise verarbeitet oder formuliert,

–  für die diätetische Behandlung von Patienten gedacht und

–  unter ärztlicher Aufsicht

zu verwenden sind. Ihr Zweck ist die ausschließliche oder teilweise Ernährung von Patienten mit eingeschränkter, behinderter oder gestörter Fähigkeit zur Aufnahme, Verdauung, Resorption, Verstoffwechslung oder Ausscheidung gewöhnlicher Lebensmittel oder bestimmter darin enthaltener Nährstoffe oder ihrer Metaboliten oder von Patienten mit einem sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf, für deren diätetische Behandlung eine Modifizierung der normalen Ernährung, andere Lebensmittel für eine besondere Ernährung oder eine Kombination aus beiden nicht ausreichen (Art. 1 Abs. 2 lit. b RL 1999/21/EG). Zur „besonderen Formulierung“ enthält die Richtlinie folgende Vorgaben: Die Formulierung von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke muss auf vernünftigen medizinischen und diätetischen Grundsätzen beruhen. Die Produkte müssen sich gemäß den Anweisungen des Herstellers sicher und nutzbringend verwenden lassen und wirksam sein in dem Sinne, dass sie den besonderen Ernährungserfordernissen der Personen, für die sie bestimmt sind, entsprechen, was durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Daten zu belegen ist (Art. 3 RL 1999/21/EG). Zudem müssen die Produkte den im Anhang der Richtlinie dargelegten Kriterien für die Zusammensetzung genügen (Vitamin- und Mineralstofftabellen, Spurenelemente). „Diätetische Behandlung“ meint eine besondere Nährstoffversorgung im Sinne einer Aufrechterhaltung der Körperfunktionen bestimmter Personengruppen. Vordergründig geht es also um eine optimale Nährstoffversorgung, nicht um einen therapeutischen Behandlungserfolg.

Gemäß Art. 1 Abs. 3 RL 1999/21/EG werden diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke in folgende drei Kategorien unterteilt:

–    diätetisch vollständige Lebensmittel mit einer Nährstoff-Standardformulierung, die bei Verwendung nach den Anweisungen des Herstellers die einzige Nahrungsquelle für die Personen, für die sie bestimmt sind, darstellen können,

–    diätetisch vollständige Lebensmittel mit einer für eine bestimmte Krankheit oder Störung oder für bestimmte Beschwerden spezifischen angepassten Nährstoffformulierung, die bei Verwendung nach den Anweisungen des Herstellers die einzige Nahrungsquelle für die Personen, für die sie bestimmt sind, darstellen können,

–    diätetisch unvollständige Lebensmittel mit einer Standardformulierung oder einer für eine bestimmte Krankheit oder Störung oder für bestimmte Beschwerden spezifischen angepassten Nährstoffformulierung, die sich nicht für die Verwendung als einzige Nahrungsquelle eignen.

Die Regelung gibt damit zwei Kategorien bedarfsdeckender bilanzierter Diäten und eine Kategorie ergänzender bilanzierter Diäten vor.

bb)    Kennzeichnung und Werbung

Bilanzierte Diäten unterliegen zunächst den allgemeinen Vorschriften der Etikettierungsrichtlinie (RL 2000/13/EG) und der Richtlinie 89/398/EWG. Insoweit wird auf die Ausführungen oben (I. 1. b aa) verwiesen. Die Richtlinie 1999/21/EG ist eine Einzelrichtlinie im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 89/398/EWG, in der Anforderungen an die Zusammensetzung und Kennzeichnung von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke festgelegt sind (Art. 1 Abs. 1 RL 1999/21/EG). Nach Art. 4 der Richtlinie 1999/21/EG ist die deutsche Verkehrsbezeichnung für bilanzierte Diäten „Diätetisches/Diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diäten)“.

Die Angabe der Nährwerte richtet sich nach Artt. 3, 4 Abs. 2 der Richtlinie 1999/21/EG: Angaben zu:

–    verfügbarer Brennwert in kJ und kcal sowie den Gehalt an Proteinen, Kohlehydraten und Fetten,

–    durchschnittliche Menge sämtlicher in dem Erzeugnis enthaltener und im Anhang der Richtlinie aufgeführten Mineralstoffe und Vitamine,

–    den Gehalt an Bestandteilen von Proteinen, Kohlehydraten und Fetten und/oder an sonstigen Nährstoffen und deren Bestandteilen, sofern diese Information zur zweckentsprechenden Verwendung des Erzeugnisses erforderlich ist,

–    gegebenenfalls zur Osmolalität oder Osmolarität des Erzeugnisses

–    Ursprung und Art der in dem Erzeugnis enthaltenen Proteine und/oder Proteinhydrolysate.

Zudem ist gemäß Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 1999/21/EG ein „wichtiger Hinweis“ (oder gleichbedeutende Formulierung) anzubringen zu folgenden Punkten

–    Hinweis, dass das Erzeugnis unter ärztlicher Aufsicht verwendet werden muss,

–    Hinweis, ob das Erzeugnis zur Verwendung als einzige Nahrungsquelle geeignet ist,

–    ggf. Hinweis, dass das Erzeugnis für eine bestimmte Altersgruppe bestimmt ist,

–    ggf. Hinweis, dass das Erzeugnis die Gesundheit gefährden kann, wenn es von Personen konsumiert wird, die nicht an der/den Krankheit(en), Störung(en) oder Beschwerden leiden, für die das Erzeugnis bestimmt ist,

des Weiteren allgemeine Hinweise (Abs. 4):

–    den Hinweis „Zur diätetischen Behandlung von …“, ergänzt durch die Krankheit(en), Störung(en) oder Beschwerden, für die das Erzeugnis bestimmt ist,

–    ggf. einen Hinweis auf Vorsichtsmaßnahmen und Kontraindikationen,

–    eine Beschreibung der Eigenschaften und/oder Merkmale, denen das Erzeugnis seine Zweckdienlichkeit verdankt, gegebenenfalls mit Angaben zu Nährstoffen, die vermehrt, vermindert, eliminiert oder auf andere Weise verändert wurden, sowie die Begründung für die Verwendung des Erzeugnisses,

–    ggf. eine Warnung, dass das Erzeugnis nicht parenteral verwendet werden darf,

–    ggf. Anweisungen für die sachgerechte Zubereitung, Verwendung und Lagerung des Erzeugnisses nach Öffnung des Behälters (Abs. 5).

Mangels besonderer Vorschriften für die Werbung finden die allgemeinen Regelungen der Richtlinie 89/398/EWG und der Etikettierungsrichtlinie Anwendung. Insbesondere gilt insoweit – vorbehaltlich der gesetzlich zulässigen bzw. vorgeschriebenen Angaben – Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 der Richtlinie 89/398/EWG, wonach die Kennzeichnung des diätetischen Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, die Aufmachung und die Werbung diesem Erzeugnis keine Eigenschaften zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder auf diese Eigenschaften hinweisen dürfen.

1. Deutsches Recht

Die EU-Vorgaben wurden durch die Diätverordnung (DiätV) in deutsches Recht transformiert. Die Diätverordnung gilt – neben den allgemeinen lebensmittelrechtlichen Vorschriften (LFGB u. a.) – für Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind. Sie vereint den Reglungsgehalt der beiden oben erörterten Richtlinien (RL 89/398/EWG, RL 1999/21/EG), regelt also sowohl diätetische Lebensmittel wie auch bilanzierte Diäten.

a) Definitionen

Inhaltliche Abweichungen vom EU-Recht sind nicht (mehr) vorhanden, wenn auch der Wortlaut nicht deckungsgleich ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die Ausführungen oben verwiesen werden.

b) Kennzeichnung und Werbung

Die Kennzeichnung und Werbung betreffend, entspricht die deutsche Umsetzung nicht gänzlich den EU-Vorgaben. Dies gilt zunächst für die Verwendung des Begriffs „diätetisch“. Während er nach dem EU-Recht bei Produkten für gesunde Säuglinge und Kleinkinder nicht zulässig ist, findet sich in der Diätverordnung (insb. §§ 2, 22 ff.) keine entsprechende Regelung. Nach der deutschen Regelung ist der Begriff „diätetisch“ nur bei (sämtlichen) diätetischen Lebensmitteln zulässig, also nicht bei Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs. Das schließt diätetische Lebensmittel für gesunde Säuglinge und Kleinkinder ein.

Krankheitsbezogene Angaben sind weitgehend unzulässig. Schaut man sich § 12 Abs.2 S. 2 LFGB an, der das lebensmittelrechtliche Verbot der krankheitsbezogenen Werbung auf diätetische Lebensmittel für unanwendbar erklärt, könnte man meinen, hier wären der Werbung Tür und Tor geöffnet. Die Diätverordnung negiert diese Ausnahme im LFGB jedoch durch § 3 DiätV, der einen abschließenden Katalog zulässiger Werbeaussagen vorsieht, nämlich:

–    Bei Lebensmitteln, die zur Behandlung von Störungen der Darmmotilität und der Darmflora sowie deren Folgeerscheinungen bei Säuglingen geeignet sind, die Aussage „Diätetisches Lebensmittel geeignet zur Behandlung der Säuglingsdyspepsie (Durchfallerkrankung beim Säugling) nur im Rahmen der ärztlichen Verordnung“; sofern sie zur Heilung geeignet sind, können sie zusätzlich als Heilnahrung bezeichnet werden,

–    Lebensmitteln zur Behandlung von Leberzell- oder Niereninsuffizienz, die im Eiweiß-, Aminosäure- und Elektrolytgehalt entsprechend angepasst sind, und Lebensmitteln, die zur Behandlung von angeborenen Stoffwechselstörungen geeignet sind, die Aussage „Diätetisches Lebensmittel geeignet zur Behandlung von …, nur unter ständiger ärztlicher Kontrolle verwenden“,

–    Lebensmitteln, die zur besonderen Ernährung bei

  • Maldigestion oder Malabsorption,
  • Störungen der Nahrungsaufnahme,
  • Diabetes mellitus,
  • chronisch entzündlichen Darmerkrankungen oder prä- oder postoperativer Behandlung bei Operationen des Darmes,
  • chronischer Pankreatitis oder
  • Gicht

geeignet sind, die Aussage „zur besonderen Ernährung bei … im Rahmen eines Diätplanes“; bei diätetischen Lebensmitteln für Diabetiker kann auf diese Personengruppe in Verbindung mit der Bezeichnung zusätzlich hingewiesen werden.

Diese Kennzeichnungsvorschriften sind zwingend, sie müssen vom Hersteller exakt in dieser Form umgesetzt werden.

Weitere besondere Kennzeichnungsregelungen enthalten die §§ 15 ff. DiätV, auf die hier verwiesen werden soll. Für bilanzierte Diäten wird insbesondere auf die Vorschrift des § 21 DiätV hingewiesen. Gemäß § 21 Abs. 1 DiätV ist „Diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diät)“ Verkehrsbezeichnung im Sinne der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung. Auch im Übrigen entspricht die Vorschrift den Vorgaben der oben erläuterten Richtlinien, auf die hier Bezug genommen wird.[3]

II. Gesetzliche Vorgaben für Nahrungsergänzungsmittel

1.  EU-Recht

Die europäischen Vorgaben für Nahrungsergänzungsmittel finden sich in der Richtlinie 2002/46/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel. Die europäische Regelung soll homogene Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen der Mitgliedstaaten schaffen und definiert einheitliche Regeln für die Kennzeichnung und Bewerbung der Produkte. Ergänzend zu den Spezialvorschriften der Richtlinie sind diejenigen der EG-Basisverordung[4] sowie der Healthclaims-Verordnung[5] hinzuzuziehen.

a) Definitionen

Gemäß Art. 2 lit. a der Richtlinie 2002/46/EG sind „Nahrungsergänzungsmittel“ Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen und die aus Einfach- oder Mehrfachkonzentraten von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung bestehen und in dosierter Form in den Verkehr gebracht werden, d. h. in Form von z. B. Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen.

Nährstoffe sind Vitamine und Mineralstoffe (Art. 2 lit. b). Soweit Vitamine und Mineralstoffe verwendet werden, dürfen nur die in Anhang I der Richtlinie aufgeführten Nährstoffe in den in Anhang II aufgeführten Formen für die Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden (Art. 4 Abs. 1).[6]

b) Kennzeichnung und Werbung

aa) Positive Kennzeichnungselemente

Gemäß Art. 6 ist die Verkehrsbezeichnung „Nahrungsergänzungsmittel“. Wesentliche Kennzeichnungselemente sind folgende:

–    die Namen der Kategorien von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen, die für das Erzeugnis kennzeichnend sind, oder eine Angabe zur Beschaffenheit dieser Nährstoffe oder sonstigen  Stoffe;

–    die empfohlene tägliche Verzehrsmenge in Portionen des Erzeugnisses;

–    einen Warnhinweis, die angegebene empfohlene Tagesdosis nicht zu überschreiten;

–    einen Hinweis darauf, dass Nahrungsergänzungsmittel nicht als Ersatz für eine abwechslungsreiche Ernährung verwendet werden sollten,

–    einen Hinweis darauf, dass die Produkte außerhalb der Reichweite von kleinen Kindern zu lagern sind.

Die Menge der Nährstoffe oder sonstigen Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung, ist gemäß Art. 8 in numerischer Form auf dem Etikett anzugeben. Für Vitamine und Mineralstoffe sind die in Anhang I angegebenen Einheiten zu verwenden. Dabei muss die Mengenangabe der Nährstoffe oder sonstigen Stoffe pro empfohlener Tagesdosis des Erzeugnisses, die auf dem Etikett angegeben ist, erfolgen. Zudem muss bei Vitaminen und Mineralstoffen ein prozentualer Bezug zu den Referenzwerten gemäß der Richtlinie 90/496/EWG (Nährwertkennzeichnungsrichtlinie)[7]. Die Wertangaben stellen Durchschnittswerte dar und müssen auf nachvollziehbaren Untersuchungen / Analysen des Herstellers beruhen (Art. 9 Abs. 1).

bb) Negative Kennzeichnungselemente

Die Kennzeichnung und Werbung dürfen Nahrungsergänzungsmitteln keine Eigenschaften zuschreiben bzw. auf solche hinweisen, die der Verhütung, Behandlung oder Heilung einer Humanerkrankung dienen (Art. 6 Abs. 2). Die Kennzeichnung und Werbung dürfen keinen Hinweis enthalten, mit dem behauptet oder suggeriert wird, dass bei einer ausgewogenen, abwechslungsreichen Ernährung im Allgemeinen die Zufuhr angemessener Nährstoffmengen nicht möglich sei (Art. 7 Abs. 1).

2.   Deutsches Recht

Die Richtlinie 2002/46/EG wurde durch die Nahrungsergänzungsmittelverordung (NemV) ins deutsche Recht transformiert. Ergänzend sind insbesondere die Nährwertkennzeichnungsverordnung, die Loskennzeichnungsverordnung, die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, die Fertigpackungsverordung sowie das LFGB heranzuziehen. Aus diesen Vorschriften ergeben sich in Bezug auf die Kennzeichnung insbesondere die oben erwähnten Referenzwerte, auf die bei den Nährstoffangaben Bezug zu nehmen ist, das Erfordernis der Angabe der Losnummer (Chargenbezeichnung), Schriftgröße, Inhaltsangaben und des Zutatenverzeichnisses. Werbevorschriften finden sich im LFGB, das detaillierte Verbote insbesondere der irreführende Werbung (§ 11 LFGB) enthält.[8]

III. Zusammenfassung

Für beide Formen von Lebensmitteln – den diätetischen Lebensmitteln, wie den Nahrungsergänzungen – gelten Sondervorschriften, die durch die allgemeinen Reglungen ergänzt werden. Das Recht beider Erscheinungsformen ist harmonisiert und in nationalstattliches Recht transformiert. Soweit noch vereinzelt Abweichungen des nationalen Rechts vom EU-Recht auftreten, sind diese mittels EU-Rechts konformer Auslegung zu lösen. Der Anwendungsbereich des Rechts der Nahrungsergänzungsmittel ist weiter als derjenige der diätetischen Lebensmittel insoweit, als die Definition für diätetische Lebensmittel enger und spezieller ausfällt: Er trifft nicht nur einen besonderen Ernährungszweck, sondern auch nur ganz bestimmte Verbrauchergruppen, z. B. Personen, die sich in besonderen physiologischen Umständen befinden (z. B. Bodybuilder). Der Begriff der Nahrungsergänzung ist hingegen nicht auf bestimmte Personengruppen beschränkt. Ferner gibt es innerhalb der diätetischen Lebensmittel die Sonderform der diätetischen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diäten), für die spezielle Vorschriften gelten. Der Zweck der bilanzierten Diäten liegt insbesondere in der Ernährung von Patienten mit Behinderungen bei der Nahrungsverwertung.

Bei der Überlegung, für welchen Produkttyp man sich bei der Einstufung seines Erzeugnisses entscheiden soll, steht die Festsetzung der Zielgruppe an erster Stelle. Man muss sich also fragen, ob man einen eingeschränkten Personenkreis bedienen möchte, wobei man anhand der oben aufgezeigten Produkttypen eine Dreiteilung vornehmen kann, welche in absteigender Reihenfolge die Eingrenzung der Zielgruppe veranschaulicht:

Gruppe 1: Nahrungsergänzungen – keine/wenig personenbezogene Einschränkung;

Gruppe 2: Diätetische Lebensmittel – mittlere personenbezogene Einschränkung;

Gruppe 3: Bilanzierte Diäten – starke personenbezogene Einschränkung.

Des Weiteren ist danach zu fragen, auf welche Weise die größte Verbraucherwahrnehmung erreicht werden kann. Je liberaler die Werbevorschriften, d. h. je konkreter der Hersteller für sein Produkt werben darf, desto besser greift sein Marketing. Nun unterliegen sämtliche Lebensmittel relativ strengen Werbevorschriften, welche detaillierte Irreführungsverbote und Verbote mit Krankheitsbezug festlegen. Dies ist durch die Healthclaims-Verordnung weiter verschärft worden, wenn deren Umsetzung auch in den nächsten Jahren erst schrittweise erfolgen wird. Umso wichtiger wird es, die unterschiedlichen Werbemöglichkeiten innerhalb der oben genannten Produktgruppen in die Überlegungen mit einzubeziehen. Das betrifft insbesondere den Krankheitsbezug. Eine Bezugnahme auf Krankheiten ist ausschließlich im Rahmen der Gruppe 3 (Bilanzierte Diäten) und nur gemäß den hierfür einschlägigen Vorschriften erlaubt. Bei den (einfachen) diätetischen Lebensmitteln ist wiederum eine besondere Hervorhebung der Ernährungsbedürfnisse bestimmter Personengruppen möglich. Nahrungsergänzungen treffen i. d. R. einen breiten Anwenderkreis.

Die Entscheidungsfindung für eine bestimmte Produktgruppe muss also in erster Linie zielgruppenorientiert erfolgen, wobei man die unterschiedlichen werblichen Möglichkeiten jeder Produktgruppe in die Überlegungen mit einbeziehen sollte. Von der Produktgruppe, für die man sich entscheidet, hängt wiederum ab, wie das Erzeugnis zu kennzeichnen ist.

Stand: 15.09.2007, Dr. Gordon Grunert, LL.M. Eur., www.anwaltskanzlei-grunert.de



[1] VO (EG) 178/2002.

[2] VO (EG) 1924/2006, vgl. dazu https://www.anwaltskanzlei-grunert.de/pdf/Healthclaimsverordnung.pdf.

[3] Zu den übrigen Kennzeichnungsvorschriften in deutschen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften vgl. unten II. 2.

[4] VO (EG) 178/2002.

[5] VO (EG) 1924/2006, vgl. dazu https://www.anwaltskanzlei-grunert.de/pdf/Healthclaimsverordnung.pdf.

[6] Eine aktuelle Änderung des Anhangs II wurde vorgenommen durch die Richtlinie 2006/37/EG der Kommission vom 30. März 2006 zur Änderung von Anhang II der Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zwecks Aufnahme bestimmter Stoffe. Für sog. „Alt-Nährstoffe“ gelten bis Ablauf 2009 Übergangsvorschriften (Art. 4 Abs. 6 RL 2002/46/EG).

[7] Geändert durch die Richtlinie 2003/120/EG der Kommission vom 5. Dezember 2003 zur Änderung der Richtlinie 90/496/EWG über die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln.

[8] Von einer detaillierteren Darstellung der Nebenvorschriften wird im Rahmen dieser Abhandlung abgesehen.

 

Die Healthclaims-Verordnung

Ab 01.07.2007 wird die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel – sog. Healthclaims-Verordnung – wirksam. Die Verordnung enthält neue Regelungen zur Kennzeichnung und Bewerbung von Lebensmitteln jedweder Einstufung, also insbesondere herkömmliche Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel. In Zukunft wird die Frage, ob ein Lebensmittel eine bestimmte Angabe tragen darf, davon abhängig sein, ob das Produkt bestimmte Substanzen enthält oder ob es ein definiertes Nährwertprofil erfüllt. Für die Hersteller und Vertreiber von Lebensmitteln, die gesundheits- und/oder nährwertbezogene Angaben verwenden, entstehen verschiedene Handlungserfordernisse, welche nachfolgend konkretisiert werden.

I.  Anwendungsbereich der Verordnung

Die Verordnung gilt für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, die in kommerziellen Mitteilungen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln gemacht werden, die an den Endverbraucher abgegeben werden; zudem gilt sie für die Werbung für Lebensmittel.[1] Nicht kommerzielle Mittelungen sind z. B. solche der Presse oder wissenschaftliche Veröffentlichungen.[2] Für lose Ware gelten die üblichen Ausnahmen von der Kennzeichnung auch in Bezug auf Angaben nach der Healthclaims-Verordnung: Nährwertangaben und gesundheitsbezogene Warnhinweise sind grundsätzlich nicht erforderlich (vgl. Art. 1 Abs. 1 Unterabsatz 2 i. V. m. Art. 7 und 10 Abs. 2 lit. a und b). Handelsmarken, Markennamen und Phantasiebezeichnungen, die in Verbindung mit einer Angabe i. S. d. VO stehen, werden ausdrücklich mit erfasst (Art. 1 Abs. 3). Für allgemeine Kategoriebezeichnungen, wie z. B. Hustenbonbon oder Digestif, können auf Antrag Ausnahmen nach einem bestimmten Verfahren vorgesehen werden (Art. 1 Abs. 4; Erwägungsgrund 5).

II.  Definitionen

Besonders wichtig sind folgende Begriffsbestimmungen[3]:

–          Angabe ist jede Aussage oder Darstellung, die nach dem EU-Recht oder nach dem Recht der Mitgliedstaaten nicht obligatorisch ist und mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt Art. 2 Abs. 1 Nr. 1). Dies gilt auch für Darstellungen und Bilder, grafische Elemente und Symbole in jeder Form. Der Begriff der Angabe ist also weit gefasst worden, er gilt für die Kennzeichnung und Werbung gleichermaßen.

–          Nährwertbezogene Angabe ist jede Angabe gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 in Bezug auf:

  • die Energie (Brennwert), die das Lebensmittel liefert, in vermindertem oder erhöhtem Maße liefert oder nicht liefert und/oder
  • die Nährstoffe oder andere Substanzen, die es enthält, in verminderter oder erhöhter Menge enthält oder nicht enthält.

–          Gesundheitsbezogene Angabe ist jede Angabe gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 1, mit der ein Zusammenhang hergestellt wird zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits.

III.  Allgemeine Grundsätze für alle Angaben

Die Verordnung kodifiziert in Art. 3 die bisher nach der Rechtsprechung und Literatur geltenden allgemeinen Grundsätze des Lebensmittelrechts auch in Bezug auf nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben. Insbesondere sind verboten: Angaben, die

–          falsch, mehrdeutig oder irreführend sind,

–          Zweifel über die Sicherheit und/oder die ernährungsphysiologische Eignung anderer Lebensmittel wecken,

–          zum übermäßigen Verzehr eines Lebensmittels ermutigen oder diesen wohlwollend darstellen,

–          erklären oder sonst suggerieren, dass eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung generell nicht die erforderliche Nährstoffmenge liefern kann,

–          Aussagen, die Ängste auslösen oder daraus Nutzen ziehen können.

Zudem müssen sich nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen (Art. 6 Abs. 1) und müssen dem durchschnittlichen Verbraucher verständlich sein (Art. 5 Abs. 2).

IV.  Allgemeine Bedingung für die Zulässigkeit von nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben: Das Lebensmittel entspricht Nährwertprofil

Lebensmittel dürfen zukünftig nur dann nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben enthalten, wenn sie bestimmten Nährwertprofilen entsprechen (Art. 4 Abs. 1). Bis zum 19.01.2009 hat die Kommission Zeit, diese Nährwertprofile in Zusammenarbeit mit den Interessengruppen (Verbände etc.) festzulegen. Dabei finden insbesondere folgende Faktoren Berücksichtigung:

– Nährstoffmengen, z. B. Mengen an Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker, Salz etc.,

– Rolle und Bedeutung des Lebensmittels für die Ernährung der Bevölkerung,

– gesamte Nährwertzusammensetzung.

Von dem Grundsatz, dass Lebensmittel, die mit nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben den zu entwickelnden Nährwertprofilen entsprechen müssen, sind Ausnahmen vorgesehen für nährwertbezogene Angaben zur Verringerung von Fett, gesättigten Fettsäuren, trans-Fettsäuren, Zucker und Salz/Natrium (Art. 4 Abs. 2 lit. a). Ferner wenn nur ein einziger Nährstoff das Profil übersteigt und in unmittelbarer Nähe zur nährwertbezogenen Angabe die Angabe „Hoher Gehalt an…“ steht (Art. 4 Abs. 2 lit. b).

Generell unzulässig sind gesundheitsbezogene Angaben bei Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent. Hier sind nährwertbezogene Angaben nur zulässig, soweit sich diese auf einen geringen Alkoholgehalt oder eine Reduzierung desselben oder des Brennwertes beziehen (Art. 4 Abs. 3).

V.    Weitere allgemeine Bedingungen für die Vornahme von nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben

Gemäß Art. 5 sind Angaben nur zulässig, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

– wissenschaftlich belegbare positive Wirkung der ausgelobten Eigenschaft,

– der ausgelobte Stoff ist in signifikanter Menge vorhanden bzw. er ist, soweit negative Auslobung, nicht oder in einer verringerten Menge vorhanden, was geeignet ist, die ausgelobte Wirkung zu erzielen,

– der Nährstoff, auf den sich eine positive Auslobung bezieht, liegt in einer dem Körper verfügbaren Form vor,

– die Menge des Produkts, die vernünftiger Weise verzehrt wird, liefert eine signifikante Menge des (positiv) ausgelobten Stoffs,

– die Angaben müssen sich gemäß der Anweisung des Herstellers auf das verzehrsfertige Lebensmittel beziehen.

VI.  Besondere Bedingungen für nährwertbezogene Angaben

Nur solche nährwertbezogenen Angaben sind zulässig, die im Anhang der Healthclaims-Verordnung aufgeführt sind und die dort vorgesehenen spezifischen Bedingungen erfüllen. Der Anhang enthält etwas mehr als zwanzig verschiedene Angaben und die jeweiligen Bedingungen für ihre Verwendung, z. B. die Angabe „Hoher Ballaststoffgehalt“. Eine derartige Angabe oder Angaben, die für den Verbraucher dieselbe Bedeutung haben, sind nur zulässig, wenn das Produkt mindestens 6 g Ballaststoffe pro 100 g bzw. (bei flüssigen Lebensmitteln) mindestens 3 g pro 100 kcal enthält (Art. 8 Abs. 1 i. V. m. dem Anhang der Verordnung). Ähnliche Bedingungen enthält der Anhang der Verordnung z. B. für Vitamine, Proteine, Fette, Zucker u. s. w. Der Anhang kann nach einem bestimmten Verfahren erweitert / abgeändert werden (Art. 8 Abs. 2).

VII.  Besondere Bedingungen für gesundheitsbezogene Angaben

Gesundheitsbezogene Angaben waren bisher erlaubt, soweit sie die üblichen Anforderungen des Lebensmittelrechts erfüllten, insbesondere wissenschaftlich belegbar und nicht irreführend waren. Mit der Healthclaims-Verordnung statuiert der EU-Gesetzgeber ein grundsätzliches Verbot bestimmter gesundheitsbezogener Angaben. Die übrigen gesundheitsbezogenen Angaben sind verboten, stehen jedoch unter einem Erlaubnisvorbehalt.

1.       Generelles Verbot

Folgende gesundheitsbezogene Angaben sich gemäß Art. 12 generell verboten:

– Angaben, die den Eindruck erwecken, durch Verzicht auf das Lebensmittel könnte die Gesundheit beeinträchtigt werden,

– Angaben über Dauer und Ausmaß der Gewichtsabnahme,

– Angaben, die auf Empfehlungen von einzelnen Ärzten oder Vertretern medizinischer Berufe etc. verweisen. Ausgenommen sich Verweise auf Vereinigungen von Fachleuten der Bereiche Medizin, Ernährung oder Diätetik oder von karitativen gesundheitsbezogenen Einrichtungen (Art. 12 lit. c i. V. m. Art. 11).

2.       Verbot mit Erlaubnisvorbehalt

Gemäß Art. 10 Abs. 1 sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht den oben erläuterten allgemeinen und besonderen Bedingungen entsprechen. Zudem sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, wenn sie nicht gemäß der Verordnung zugelassen und in eine entsprechende Liste[4] der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13 und 14 aufgenommen sind.

Sind die vorstehenden Voraussetzungen erfüllt, müssen die Kennzeichnung und die Werbung folgende Angaben erhalten:

– einen Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise,

– Informationen zur Menge des Lebensmittels und zum Verzehrsmuster, die erforderlich sind, um die behauptete positive Wirkung zu erzielen,

– ggf. einen Hinweis an Personen, die es vermeiden sollten, dieses Lebensmittel zu verzehren,

– einen geeigneten Warnhinweis bei Produkten, die bei übermäßigem Verzehr eine Gesundheitsgefahr darstellen können.

Bei Nahrungsergänzungsmitteln decken sich die Angaben nach Spiegelstrichen 1 und 2 zumindest zum Teil mit den Erfordernissen gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 4 NemV, sodass insoweit auf Doppelangaben verzichtet werden kann.

Verweise auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels sowie Verweise auf das Wohlbefinden sind zukünftig nur noch zulässig, wenn diesen Verweisen eine in der Liste[5] nach Art. 13 und 14 enthaltene spezielle Angabe beigefügt ist (Art. 10 Abs. 3). Damit werden allgemeine Angaben unzulässig, soweit es den Herstellern nicht gelingt, einzelne Komponenten ihrer Produkte herauszugreifen, für die bereits passende und zugelassene Claims existieren oder für diese Claims selbst erfolgreich die Zulassung zu betreiben. Zu denken ist z. B. an Aussagen wie „Steigert das allgemeine Wohlbefinden“ oder „Baut Stress ab“, möglicherweise auch „Stärkt die Abwehrkräfte“. Es bleibt zu hoffen, dass die zuständigen Stellen von der Möglichkeit gemäß Art. 10 Abs. 4 Gebrauch machen und entsprechende Leitlinien zur Durchführung von Art. 10 erlassen.

3.       Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben gemäß Art. 13 und 14

Spätestens am 31.01.2010 verabschiedet die Kommission eine Liste zulässiger Angaben. Diese Liste wird aufgrund der Daten erstellt, die bis Januar 2008 von den Mitgliedstaaten gesammelt und bei der Kommission eingereicht worden sind. Je vielfältiger / „vollständiger“ diese Liste ausfällt, desto besser für die Lebensmittelindustrie. Möchte ein Unternehmen eine Angabe verwenden, die nicht in der Liste aufgeführt ist, muss es ein in der Verordnung näher beschriebenes Zulassungsverfahren betreiben. Gesundheitsbezogene Angaben, die in der Liste enthalten sind, können grundsätzlich von jedem Unternehmen verwendet werden (Art. 17 Abs. 5). Es sind besondere Schutzbestimmungen zu beachten für die zugrundeliegenden wissenschaftlichen Daten und für das weitere für die Zulassung erforderliche Material (Art. 21).

VIII.   Fragen zur Anwendbarkeit der Healthclaims-Verordnung

Die Nährwertprofile und die Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben existieren noch nicht. Es fragt sich also, in welchem Umfang die Verordnung überhaupt schon gilt und welche Termine im Auge zu behalten sind. Hierzu folgende Aufstellung:

01.07.2007:         Die Verordnung wird wirksam (Art. 29). Sämtliche Produkte müssen in Kennzeichnung und Werbung grundsätzlich den Vorschriften der Verordnung entsprechen. Tun sie dies nicht und haben sie sich vor dem 01.07.2007 im Verkehr befunden, dürfen sie bis zu ihrem Mindesthaltbarkeitsdatum, längstens aber bis zum 31.07.2009 weiterhin in den Verkehr gebracht werden (Art. 28 Abs. 1). Dies gilt nicht, soweit die Nährwertprofile erst beschlossen werden müssen: Insoweit bleiben Lebensmittel verkehrsfähig bis 24 Monate nach dem entsprechenden Kommissionsbeschluss, längstens bis 19.01.2011 (Art. 28 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 4 Abs. 1).

Neuprodukte, die ab dem 01.07.2007 in den Verkehr gebracht werden, genießen keine Übergangsfristen. Für sie gilt neben den allgemeinen Bestimmungen insbesondere, dass ihre Nährwertangaben den Vorschriften im Anhang der Verordnung entsprechen müssen (s. oben VI.).

19.01.2008:         Gesundheitsbezogene Angaben über psychische Funktionen und schlank machende oder gewichtskontrollierende Eigenschaften, die über keine nationale Zulassung verfügen, dürfen weiter verwendet werden, wenn vor dem 19.01.2008 ein Antrag gestellt wird. Wird dem Antrag nicht entsprochen, beträgt die Abverkaufsfrist sechs Monate nach der Entscheidung (Art. 28 Abs. 6, Art. 13, 17).

31.01.2008:         Stichtag für die Übermittlung der Listen durch die Mitgliedstaaten an die Kommission betreffend Angaben über

– die Bedeutung eines Nährstoffs / einer anderen Substanz für Wachstum und Körperfunktionen

– psychische Funktionen und schlank machende oder gewichtskontrollierende Eigenschaften, Verringerung des Hungergefühls, verstärktes Sättigungsgefühl, verringerte Energieaufnahme (Art. 13 Abs. 2)

19.01.2009:         Stichtag für die Festlegung der Nährwertprofile durch die Kommission (Art. 4 Abs. 1).

19.01.2010:         Ende der Übergangsfrist für nährwertbezogene Angaben, die vor dem 01.01.2006 verwendet wurden und nicht im Anhang der Verordnung aufgeführt sind (Art. 28 Abs. 3).

31.01.2010:         Stichtag für die Verabschiedung der Liste von Angaben über

– die Bedeutung eines Nährstoffs / einer anderen Substanz für Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen

– psychische Funktionen und schlank machende oder gewichtskontrollierende Eigenschaften, Verringerung des Hungergefühls, verstärktes Sättigungsgefühl, verringerte Energieaufnahme (Art. 13 Abs. 3)

31.01.2010:         Ende der Übergangsfrist für nach bisherigem Recht und nach den übrigen Vorschriften der Healthclaims-Verordnung zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben über die Bedeutung eines Nährstoffs / einer anderen Substanz für Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen (Art. 28 Abs. 5).

19.01.2011:         Ende der Übergangsfrist für den Nährwertprofilen nicht entsprechende Produkte (Art. 28 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 4 Abs. 1).

19.01.2022:         Ende der Übergangsfrist für Produkte, deren Handelsmarken / Markennamen vor dem 01.01.2005 bestanden und der Verordnung nicht entsprechen (Art. 28 Abs. 2).

Stand: 30.04.2007, Dr. Gordon Grunert, LL.M. Eur., www.anwaltskanzlei-grunert.de 


[1] Art. 1 Abs. 2 VO (EG) 1924/2006. Nachfolgende Nennungen von Vorschriften beziehen sich, soweit nichts anderen angegeben ist, auf diese Verordnung.

[2] Vgl. Erwägungsgrund 4.

[3] Weitere Definitionen s. Art. 2.

[4] Zur Liste s. unten VII. 3.

[5] Zur Liste s. unten VII. 3.

Arzneimittelrecht: Wichtige Neuerungen nach der 14. AMG-Novelle und der Pharmabetriebsverordnung

Am 06. September 2005 ist das Vierzehnte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (14. AMG-Novelle) in Kraft getreten. Begleitend dazu ist für das kommende Frühjahr eine Novelle der Pharmabetriebsverordnung geplant, welche die gesamte Handelskette bis zum Wirkstoffhersteller vor neue Aufgaben stellt.

I.        Allgemeines

Die 14. AMG-Novelle richtet sich vor allem an Arzneimittelhersteller und fällt sehr umfangreich aus: Es erfolgen Änderungen in den Bereichen Herstellung, Kennzeichnung, Zulassung, Generika, Information der Öffentlichkeit, Pharmakovigilanz, Transparenz, Überwachung sowie traditionell pflanzliche und homöopatische Arzneimittel. Zudem werden angrenzende Gesetze geändert: u. a. Heilmittelwerbegesetz (HWG), Apothekengesetz (ApoG), Infektionsschutzgesetz (IfSG), Patentgesetz (PatG), Fünftes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V). Besonderes Medieninteresse gilt der Aufnahme von Schönheitsoperationen in das HWG, soweit sich die Werbeaussage auf die Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Indikation bezieht. Außerdem stehen die Vorschriften zum Ausgleich zwischen Original- und Generika-Herstellern im Mittelpunkt, nach denen Generika-Herstellern u. a. die vorzeitige Herstellung von Arzneimitteln zu Studienzwecken möglich wird.

Flankiert werden diese Änderungen durch die geplante Pharmabetriebsverordnung. Sie definiert die Rückverfolgbarkeit im Arzneimittelrecht neu. Nunmehr werden sämtliche Wirkstoffhersteller in die Erfordernisse einer GMP-gerechten Herstellung (Good Manufacturing Practise) einbezogen. Insbesondere die Wirkstoff-Großhändler müssen Ihre zuvor meist geheim gehaltenen Bezugsquellen gegenüber dem Arzneimittelhersteller offen legen. Arzneimittelhersteller dürfen in Zukunft nur noch Ausgangsstoffe verwenden, die nachweislich GMP-gerecht – oder zumindest nach vergleichbaren Standards – hergestellt wurden. Dies führt zu erheblichen Problemen für das Geschäft mit Wirkstoffherstellern aus Drittstaaten. Hinzu kommt die mangelhafte Richtlinienkonformität der Umsetzung der EU-Vorgaben. Dies führt zu Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen dem Human- und dem Tierarzneimittelbereich. Während die Arzneimittelhersteller gegenwärtig bemüht sind, die Vorgaben der 14. AMG-Novelle umzusetzen, wird der Verordnungsentwurf (Referentenentwurf) noch diskutiert.

II.       Ausgewählte Regelungsmaterien

1.       14. AMG-Novelle

a)      Herstellung, Personal

Die Organisation der Arzneimittelherstellung ist bestimmten Änderungen unterworfen. Dies liegt an der Einführung des Institutes der sachkundigen Person, die die Hauptverantwortung für eine ordnungsgemäße Herstellung, Prüfung und Freigabe trägt. Es ist klargestellt worden, dass die Freigabe zum Herstellungsprozess gehört und damit Teil der Registerführung durch die sachkundige Person wird. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 AMG muss jeder Betrieb dauerhaft über mindestens eine sachkundige Person verfügen. Die Anforderungen an die Sachkunde (§ 15 AMG) sind insbesondere Approbation als Apotheker oder spezifische Hochschulnachweise. Die zweijährige Praxiserfahrung bezieht sich nur noch auf die Arzneimittelprüfung. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 AMG muss ein Herstellungs- und ein Kontrolleiter mit ausreichender Fachqualifikation und Praxiserfahrung zur Verfügung stehen. Hier sind keine spezifischen Kenntnisse im Sinne des § 15 AMG erforderlich. Für kleine und mittelständische Unternehmen ist dies vorteilhaft. Sie müssen sich nunmehr nur noch eine Person mit Approbation oder vergleichbarer Qualifikation „leisten“. Allerdings gehören Herstellungs- und Kontrolleiter zum sog. Personal in Schlüsselstellungen und müssen die GMP-Anforderungen an Qualifikation und Erfahrung erfüllen.

b)      Produktkennzeichnung

Die Kennzeichnungsvorschriften wurden geändert. Die Arzneimittelhersteller müssen ihre Produkte in Zukunft nach den neuen Vorschriften gestalten. Das AMG sieht verschiedene Übergangsfristen für die Anpassung vor. Gemäß § 141 Abs. 1 AMG dürfen pharmazeutische Unternehmer ihre Arzneimittel, die noch nicht den neuen Vorschriften entsprechen, bis maximal zwei Jahre nach der ersten auf den 06. September 2005 folgenden Verlängerung der Zulassung oder Registrierung in den Verkehr bringen. Nach diesem Zeitpunkt sind nur noch Erzeugnisse zulässig, die unter Beachtung der neuen Kennzeichnungsvorschriften (§§ 10, 11 AMG) hergestellt wurden. Das Vorstehende bezieht sich auf das erste Inverkehrbringen durch den pharmazeutischen Unternehmer. Das bedeutet, dass Groß- und Einzelhändler ihre Arzneimittel nach diesem Zeitpunkt noch vertreiben können (= Abverkaufsfrist für Altprodukte). Nicht verlängerungsbedürftige Erzeugnisse (z. B. solche, die § 60 AMG unterliegen und von der Zulassung befreit sind) müssen ab 01.01.2009 den neuen Kennzeichnungsvorschriften entsprechen.

c)      Zulassung

Weitere Änderungen hat der Gesetzgeber bei den Zulassungsregelungen vorgenommen (§§ 21 ff. AMG). Eine wesentliche Erleichterung ist zukünftig, dass Zulassungsverlängerungen, die nach dem 01.01.2001 erteilt wurden, grundsätzlich unbefristet gelten (§ 31 Abs. 1a i. V. m. § 141 Abs. 6 AMG). Soweit die zuständige Behörde keine besondere Verlängerung verfügt, entfällt damit das Erfordernis, alle fünf Jahre eine weitere Verlängerung zu beantragen.

Bei der Antragstellung ist zu beachten, dass die Frist für die Einreichung der Unterlagen vorverlegt wurde von drei auf sechs Monate vor Ablauf der Zulassung (§ 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AMG). Die Unterlagen in Bezug auf Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit sind vollständig zu überarbeiten; bei Tierarzneimitteln genügt eine konsolidierte Liste der Änderungen (§ 31 Abs. 2 S. 2 AMG).

Die Zulassung erlischt grundsätzlich, wenn das zugelassene Arzneimittel innerhalb von drei Jahren nach Erteilung der Zulassung nicht in den Verkehr gebracht wird, oder wenn sich das zugelassene Arzneimittel, das nach der Zulassung in den Verkehr gebracht wurde, in drei aufeinander folgenden Jahren nicht mehr im Verkehr befindet (§ 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AMG, sog. Sunset-Clause).

Ein weiteres interessantes Novum ist der sog. „Compassionate Use“. Dabei handelt es sich um die Versorgung von Patienten, die an einer besonders schweren Erkrankung leiden, die mit herkömmlichen Medikamenten nicht zufriedenstellend behandelt werden können, mit Arzneimitteln bereits vor deren Zulassung. Von der Anwendung dieser Arzneimittel muss man einen hohen Nutzen erwarten. Die betreffenden Arzneimittel müssen sich gemäß Art. 83 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 entweder im Zulassungsverfahren befinden oder Gegenstand einer laufenden klinischen Prüfung sein. Die Prüfung sollte fast abgeschlossen sein, sodass ausreichend Daten verfügbar sind, um hinreichende Sicherheit für die Patienten zu gewährleisten.

d)      Generika

Die Vorschriften für die Generika-Zulassung sind neu völlig gefasst worden (§§ 24a f. AMG). Danach können Generika-Hersteller mit schriftlicher Zustimmung der Vorantragsteller auf deren Unterlagen einschließlich Sachverständigengutachten Bezug nehmen. Die Zustimmung ist entbehrlich bei gleicher Art und Menge der Wirkstoffe, gleicher Darreichungsform wie das Referenzarzneimittel und nachgewiesener Bioäquivalenz, sofern das Referenzarzneimittel seit mindestens acht Jahren zugelassen ist (§ 24 b Abs. 1 und 2 AMG).

Zudem wird die sog. Bolarregelung in § 11 Nr. 2b Patentgesetz (PatG) eingeführt. Danach dürfen Generika-Hersteller bereits vor Ablauf des Patents Studien, Versuche und weitere erforderliche Schritte unternehmen, die sie bereits vor Ablauf des Patentschutzes in die Lage versetzen, nach dem Stichtag des Ablaufs des Patentschutzes mit ihrem Produkt an den Markt gehen zu können.

e)      Berichtspflichten, Pharmakovigilanz

Gemäß § 63b Abs. 5 AMG muss der Zulassungsinhaber der zuständigen Bundesoberbehörde einen regelmäßig aktualisierten Bericht über die Unbedenklichkeit des Arzneimittels unverzüglich nach Aufforderung oder mindestens alle sechs Monate nach der Zulassung bis zum Inverkehrbringen vorlegen. Die Berichte muss er unverzüglich während der ersten beiden Jahre nach dem ersten Inverkehrbringen und einmal jährlich in den folgenden zwei Jahren vorlegen. Danach sind die Berichte in Abständen von drei Jahren oder unverzüglich nach Aufforderung vorzulegen. Nach § 63b Abs. 5b AMG darf der Inhaber der Zulassung im Zusammenhang mit seinem Arzneimittel keine die Pharmakovigilanz betreffenden Informationen ohne vorherige oder gleichzeitige Mitteilung an die zuständige Bundesoberbehörde öffentlich bekannt machen. Er muss sicherstellen, dass die Informationen in objektiver und nicht irreführender Weise dargelegt werden.

f)       Nebengesetze

Die nebengesetzlichen Regelungen betreffen insbesondere das Heilmittelwerbegesetz. In dessen Regelungsbereich werden ab 01.04.2006 nicht indizierte Schönheitsoperationen aufgenommen. Diese sind z. B. Brustvergrößerungen oder Fettabsaugen zur Verbesserung der Körperformen. Insbesondere suggestive und/oder irreführende Formen der Bewerbung derartiger Methoden sind nunmehr nach dem HWG verboten.

2.       Pharmabetriebsverordnung

Die Pharmabetriebsverordnung (PharmbtrV) wird gegenwärtig diskutiert und befindet sich im Entwurfsstadium (Referentenentwurf). Man möchte die Verordnung im kommenden Frühjahr verabschieden. Mit der Verordnungsänderung soll das deutsche Recht an den Humanarzneimittel- und an den Tierarzneimittelkodex[1] unter Einbeziehung des Leitfadens für die gute Herstellungspraxis (GMP-Leitfaden) angepasst werden. Von der Verschärfung der Vorschriften über die Rückverfolgbarkeit in der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellung und der Auslese von Stoffen, die nicht GMP-gerecht hergestellt wurden, verspricht man sich eine Erhöhung der Arzeimittelsicherheit.

a)      Anwendungsbereich

Die Pharmabetriebsverordnung (Verordnung für pharmazeutische Unternehmer) galt bislang insbesondere für Arzneimittelhersteller und nur für bestimmte Wirkstoffhersteller und Wirkstoffhändler (u. a. Wirkstoffe menschlicher, tierischer oder mikrobieller Herkunft). Der Referentenentwurf weitet den Anwendungsbereich aus auf sämtliche Hersteller und Händler von Wirkstoffen. Entsprechend ändert sich auch der Name der Verordnung in „Betriebsverordnung für pharmazeutische Unternehmer und Arzneimittel- und Wirkstoffhersteller“. Obwohl die 14. AMG-Novelle recht umfangreich ausgefallen war, hatte sie die Bereiche Rückverfolgbarkeit und Wirkstoffverwendung nicht berücksichtigt. Für viele Unternehmen kommt die Umsetzung der Richtlinien auf Verordnungsebene einigermaßen überraschend. Das gilt insbesondere für die Wirkstoff- und Arzneimittelgroßhändler, die sich bisher vor allem an der Großhandelsbetriebsverordnung orientiert haben.

b)      Rückverfolgbarkeit / Nachweise

Die Rückverfolgbarkeit wird erweitert: Vom Arzneimittelhersteller über den Wirkstoffhändler bis hin zum Wirkstoffhersteller werden alle Glieder der Handelskette einbezogen. Dies soll durch entsprechende Dokumentations- und Offenlegungspflichten der Beteiligten sichergestellt werden (§ 13 des Entwurfs PharmbetrV). Die Wirkstoffhändler müssen den Namen und die Anschrift des Originalherstellers, vom Originalhersteller erhaltene qualitätsbezogene Informationen und die vom Originalhersteller vergebenen Chargenbezeichnungen an ihre Kunden weitergeben.

Der pharmazeutische Unternehmer sollte sich von dem Wirkstoffhersteller eine Kopie der Herstellungsgenehmigung der zuständigen Behörden beschaffen. Damit ist er in der Lage nachzuweisen, dass „sein“ Wirkstoffhersteller nach dessen nationalem Recht zur Herstellung berechtigt ist.

Zudem muss sich der pharmazeutische Unternehmer beim Wirkstoffhersteller vor Ort vergewissern, dass dieser den Wirkstoff ordnungsgemäß und entsprechend der Herstellungs- und Prüfanweisung herstellt und prüft (§ 13 Abs. 4 S. 1).

c)      GMP-gerechte Wirkstoffproduktion

Wirkstoffhersteller aus dem EU-Ausland (Drittstaaten) müssen gleichwertig zu den europäischen GMP-Standards produzieren. Für die deutschen Arzneimittelhersteller bedeutet dies ggf. einen Wechsel des Wirkstoffherstellers. Gemäß § 5 Abs. 1 des Verordnungsentwurfs sind zur Arzneimittelherstellung nur Wirkstoffe und andere Stoffe als Ausgangsstoffe zu verwenden, die gemäß der Guten Herstellungspraxis hergestellt wurden. Damit werden Art. 46 lit. f der geänderten Richtlinie 2001/83/EG und Art 50 lit. f der geänderten Richtlinie 2001/82/EG in deutsches Recht umgesetzt.

Diese Regelung wird flankiert durch § 13 Abs. 3a des Verordnungsentwurfs. Danach dürfen Wirkstoffe und andere zur Arzneimittelherstellung bestimmte Stoffe nur eingeführt werden, wenn ausreichende Unterlagen über Herstellung und Prüfung der Charge vom Originalhersteller vorliegen. Fehlen diese Unterlagen, sind zusätzliche analytische Prüfungen durchzuführen und der Freigabe zugrunde zu legen.

Die Herstellungsvorschriften werden auf Wirkstoffe ausgeweitet. Das betrifft besonders die Wirkstoffhersteller im Inland. Diese müssen vor allem die Wirkstoffproduktion in ihr pharmazeutisches Qualitätssicherungssystem einbeziehen, Validierungen prüfen und Verfahrensanweisungen ggf. neu gestalten. Gleiches gilt für die Dokumentationspflichten.

III.      Fazit

Die jüngsten gesetzlichen Neuerungen im Pharmasektor sind erheblich. Sie führen zu einem erhöhten Anpassungsbedarf der Geschäftsprozesse insbesondere bei Arzneimittelherstellern, aber auch bei Wirkstoffherstellern und Wirkstoffhändlern. Während die 14. AMG-Novelle als weitgehend gelungene, wenn auch nicht widerspruchsfreie Umsetzung der Richtlinien zu bewerten ist, lässt die Pharmabetriebsverordnung wesentliche Fragen offen. Eine endgültige Fassung ist längst noch nicht ausdiskutiert. Z. B. wird es um die Frage gehen, inwieweit sich die Novellierung auf „sonstige Stoffe“ bezieht. Es erscheint schwierig, sämtliche Stoffe in die GMP-gerechte Herstellung einbeziehen zu wollen. Viele dieser Stoffe werden für die chemische Industrie nach deren Vorgaben produziert. Dies trifft auch auf einen Teil der Wirkstoffe zu. Zudem lässt der Referentenentwurf der Pharmabetriebsverordnung im Gegensatz zu den Richtlinienvorgaben eine Differenzierung zwischen Human- und Tierarzneimittelherstellung vermissen: Sonstige Stoffe sind u. U. im Tierarzneimittelbereich von den GMP-Regeln zu befreien. Es bleibt abzuwarten, inwieweit diese und weitere Probleme bis zum Frühjahr 2006 gelöst werden. In jedem Fall sollten die angesprochenen Zielgruppen frühzeitig die entsprechenden Schritte zur Umsetzung der neuen gesetzlichen Handlungserfordernisse einleiten.

Stand: 16.12.2005, Dr. Gordon Grunert, LL.M. Eur., www.anwaltskanzlei-grunert.de


[1]    Vgl. die Richtlinien RL 2001/83/EG; RL 2001/82/EG, jeweils in ihren konsolidierten Fassungen.

Diätetische Lebensmittel: Kennzeichnung und Werbung

Zu den Lebensmitteln mit besonderer Zweckbestimmung gehören die diätetischen Lebensmittel. Unternehmen, die eine Herstellung und Vermarktung von Produkten dieser Kategorie erwägen, sind zunächst gehalten, sich über die Möglichkeiten und Grenzen der Kennzeichnung und Werbung zu informieren. Hiervon hängt wesentlich die Ausrichtung des Marketingkonzepts für das konkrete Produkt ab. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Erfordernisse an Kennzeichnung und Werbung diätetischer Lebensmittel durch das europäische und deutsche Lebensmittelrecht.

I.        Europäische Vorgaben für diätetische Lebensmittel

Die europäischen Vorgaben für diätetische Lebensmittel finden sich in der Richtlinie 89/398/EWG des Rates vom 03.05.1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind. Diese Richtlinie ersetzt die ursprünglich zur Regelung dieser Materie erlassene Richtlinie 77/94/EWG, die zwischenzeitlich mehrfach geändert worden war. Die europäische Regelung dient der Angleichung der Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen der Mitgliedstaaten und dem Schutz der Verbraucher vor Täuschungen und Fehlkennzeichnungen.

1.  Definition

Die Richtlinie 89/398/EWG bezieht sich auf Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind (Art. 1 Abs. 1). Das sind Lebensmittel, die sich aufgrund ihrer besonderen Zusammensetzung oder des besonderen Verfahrens ihrer Herstellung deutlich von den Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs unterscheiden, die sich für den angegebenen Ernährungszweck eignen und mit dem Hinweis darauf in den Verkehr gebracht werden, dass sie für diesen Zweck geeignet sind.

Des Weiteren beschränkt die Regelung den Anwendungsbereich auf bestimmte Verbrauchergruppen. Eine besondere Ernährung muss danach den Ernährungserfordernissen folgender Verbrauchergruppen entsprechen:

– bestimmter Gruppen von Personen, deren Verdauungs – bzw. Resorptionsprozess oder Stoffwechsel gestört ist, oder

– bestimmter Gruppen von Personen, die sich in besonderen physiologischen Umständen befinden und deshalb einen besonderen Nutzen aus der kontrollierten Aufnahme bestimmter in der Nahrung enthaltener Stoffe ziehen können, oder

– gesunder Säuglinge oder Kleinkinder.

Damit ist der Anwendungsbereich für die Praxis auf eine insgesamt relativ kleine Zielgruppe beschränkt.

2.   Kennzeichnung und Werbung

a)  Allgemeine Erfordernisse an die Kennzeichnung und Werbung

Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 89/398/EWG sieht vor, dass nur diejenigen diätetischen Lebensmittel der ersten beiden oben aufgezählten Verbrauchergruppen (s. o. I. 1.) mit dem Wort „diätetisch“ gekennzeichnet werden dürfen. Die Gruppe der gesunden Säuglinge und Kleinkinder ist davon ausgenommen. Das bedeutet, dass sich die Bezeichnung „diätetisch“ nur noch auf Personengruppen beziehen darf, deren Verdauungs- bzw. Resorptionsprozess oder Stoffwechsel gestört ist oder die sich aufgrund besonderer physiologischer Umstände die kontrollierte Aufnahme in der Nahrung erhaltener Stoffe nutzbar machen können.

Ein Hinweis auf die Eignung des Produktes für den angegebenen Ernährungszweck ist schon per definitionem vorgeschrieben (Art. 1 Abs. 2 lit. a).

Gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 der Richtlinie 89/398/EWG dürfen die Kennzeichnung des diätetischen Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, die Aufmachung und die Werbung diesem Erzeugnis keine Eigenschaften zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder auf diese Eigenschaften hinweisen.

Zur Verkehrsbezeichnung muss auch die Angabe der besonderen nutritiven Eigenschaften des Produkts gehören; bei Produkten zur Ernährung von gesunden Säuglingen und Kleinkindern durch die Angabe des Zwecks, für den sie bestimmt sind.

Im Übrigen gelten die allgemeinen Anforderungen der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (Etikettierungsrichtlinie).

b) Besondere Erfordernisse an die Kennzeichnung

Bei der Prüfung der besonderen Kennzeichnungserfordernisse ist zu unterscheiden zwischen Erzeugnissen, deren Kennzeichnung von den Vorschriften der Richtlinie 89/398/EWG erfasst wird und solchen, für die Sondervorschriften gelten in Form sog. Einzelrichtlinien. Letztere sind gemäß Anhang 1 der Richtlinie 89/398/EWG:

– Säuglingsfertignahrung,

– Folgemilch und andere Folgelebensmittel,

– Sonstige Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder,

– Lebensmittel mit niedrigem oder reduziertem Brennwert zur Gewichtsüberwachung,

– Diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten),

– Natriumarme Lebensmittel einschließlich Diätsalze, die einen niedrigen Natriumgehalt aufweisen oder natriumfrei sind,

– Glutenfreie Lebensmittel,

– Lebensmittel für intensive Muskelanstrengungen, vor allem für Sportler,

– Lebensmittel für Personen, die unter einer Störung des Glucosestoffwechsels leiden (Diabetiker).

Für diese Produkte ergibt sich das Nähere aus Spezialregelungen. Den Rahmen für die Ausgestaltung dieser Einzelrichtlinien bildet Art. 4 Abs.1 RL 398/EWG (Neben der Kennzeichnung und Werbung z. B. Zusammensetzung, Qualität der Ausgangsstoffe, Hygiene).

Für die Produkte, die keinen Einzelrichtlinien unterliegen gilt hinsichtlich der besonderen Kennzeichnungserfordernisse folgendes (Art. 7 Abs. 3 RL 89/398/EWG):

Die Kennzeichnung muss umfassen:

– die Besonderheiten der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung oder den besonderen Herstellungsprozess, durch die das Erzeugnis seine besonderen nutritiven Eigenschaften erhält,

– den in kJ und kcal ausgedrückten physiologischen Brennwert sowie den Gehalt an Kohlehydraten, Eiweißstoffen und Fetten auf je 100 g oder 100 ml des in den Handel gebrachten Erzeugnisses und gegebenenfalls auf die für den Verzehr vorgeschlagene Menge bezogen, sofern das Erzeugnis in dieser Weise angeboten wird. Beträgt dieser Brennwert weniger als 50 kJ (12 kcal) in 100 g oder 100 ml des in den Handel gebrachten Erzeugnisses, so können die Angaben durch den Hinweis „Brennwert unter 50 kJ (12 kcal) in 100 g“ oder “ Brennwert unter 50 kJ (12 kcal) in 100 ml“ ersetzt werden.

c) Sonderregelungen für Bilanzierte Diäten (diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke)

Einen Spezialfall der diätetischen Lebensmittel bilden die sog. bilanzierten Diäten. Hierbei handelt es sich um diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke nach der gleichnamigen Richtlinie 1999/21/EG der Kommission vom 25.03.1999. Diese Richtlinie baut auf der vorstehend erläuterten Richtlinie 89/398/EWG auf. Bei der Einstufung des Produkts ist also zunächst zu prüfen, ob es sich um ein diätetisches Lebensmittel im Allgemeinen handelt, bevor man zur Einstufung als bilanzierte Diät im Besonderen übergeht.

aa) Definition

Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke bezeichnet eine Kategorie von Lebensmitteln für eine besondere Ernährung, die

–  auf besondere Weise verarbeitet oder formuliert,

–  für die diätetische Behandlung von Patienten gedacht und

–  unter ärztlicher Aufsicht

zu verwenden sind. Ihr Zweck ist die ausschließliche oder teilweise Ernährung von Patienten mit eingeschränkter, behinderter oder gestörter Fähigkeit zur Aufnahme, Verdauung, Resorption, Verstoffwechslung oder Ausscheidung gewöhnlicher Lebensmittel oder bestimmter darin enthaltener Nährstoffe oder ihrer Metaboliten oder von Patienten mit einem sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf, für deren diätetische Behandlung eine Modifizierung der normalen Ernährung, andere Lebensmittel für eine besondere Ernährung oder eine Kombination aus beiden nicht ausreichen (Art. 1 Abs. 2 lit. b RL 1999/21/EG).

Zur „besonderen Formulierung“ (s. o. erster Spiegelstrich) enthält die Richtlinie folgende Vorgaben: Die Formulierung von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke muss auf vernünftigen medizinischen und diätetischen Grundsätzen beruhen. Die Produkte müssen sich gemäß den Anweisungen des Herstellers sicher und nutzbringend verwenden lassen und wirksam sein in dem Sinne, dass sie den besonderen Ernährungserfordernissen der Personen, für die sie bestimmt sind, entsprechen, was durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Daten zu belegen ist (Art. 3 RL 1999/21/EG). Zudem müssen die Produkte den im Anhang der Richtlinie dargelegten Kriterien für die Zusammensetzung genügen (Vitamin- und Mineralstofftabellen, Spurenelemente).

„Diätetische Behandlung“ meint eine besondere Nährstoffversorgung im Sinne einer Aufrechterhaltung der Körperfunktionen bestimmter Personengruppen. Vordergründig geht es also um eine optimale Nährstoffversorgung, nicht um einen therapeutischen Behandlungserfolg.

Gemäß Art. 1 Abs. 3 RL 1999/21/EG werden diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke in folgende drei Kategorien unterteilt:

– diätetisch vollständige Lebensmittel mit einer Nährstoff-Standardformulierung, die bei Verwendung nach den Anweisungen des Herstellers die einzige Nahrungsquelle für die Personen, für die sie bestimmt sind, darstellen können,

– diätetisch vollständige Lebensmittel mit einer für eine bestimmte Krankheit oder Störung oder für bestimmte Beschwerden spezifischen angepassten Nährstoffformulierung, die bei Verwendung nach den Anweisungen des Herstellers die einzige Nahrungsquelle für die Personen, für die sie bestimmt sind, darstellen können,

– diätetisch unvollständige Lebensmittel mit einer Standardformulierung oder einer für eine bestimmte Krankheit oder Störung oder für bestimmte Beschwerden spezifischen angepassten Nährstoffformulierung, die sich nicht für die Verwendung als einzige Nahrungsquelle eignen.

Die Regelung gibt damit zwei Kategorien bedarfsdeckender bilanzierter Diäten und eine Kategorie ergänzender bilanzierter Diäten vor.

bb) Kennzeichnung und Werbung

Bilanzierte Diäten unterliegen zunächst den allgemeinen Vorschriften der Etikettierungsrichtlinie (RL 2000/13/EG) und der Richtlinie 89/398/EWG. Insoweit wird auf die Ausführungen oben (I. 2. a) verwiesen. Die Richtlinie 1999/21/EG ist eine Einzelrichtlinie im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 89/398/EWG, in der Anforderungen an die Zusammensetzung und Kennzeichnung von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke festgelegt sind (Art. 1 Abs. 1 RL 1999/21/EG). Nach Art. 4 der Richtlinie 1999/21/EG ist die deutsche Verkehrsbezeichnung für bilanzierte Diäten

„Diätetisches/Diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diät/Diäten)“.

Die Angabe der Nährwerte richtet sich nach Art. 3 und 4 Abs. 2 der Richtlinie 1999/21/EG: Angaben zu:

– verfügbarer Brennwert in kJ und kcal sowie den Gehalt an Proteinen, Kohlehydraten und Fetten,

– durchschnittliche Menge sämtlicher in dem Erzeugnis enthaltener und im Anhang der Richtlinie aufgeführten Mineralstoffe und Vitamine,

– den Gehalt an Bestandteilen von Proteinen, Kohlehydraten und Fetten und/oder an sonstigen Nährstoffen und deren Bestandteilen, sofern diese Information zur zweckentsprechenden Verwendung des Erzeugnisses erforderlich ist,

– gegebenenfalls zur Osmolalität oder Osmolarität des Erzeugnisses

– Ursprung und Art der in dem Erzeugnis enthaltenen Proteine und/oder Proteinhydrolysate.

Zudem ist gemäß Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 1999/21/EG ein „wichtiger Hinweis“ (oder gleichbedeutende Formulierung) anzubringen zu folgenden Punkten

– Hinweis, dass das Erzeugnis unter ärztlicher Aufsicht verwendet werden muss,

– Hinweis, ob das Erzeugnis zur Verwendung als einzige Nahrungsquelle geeignet ist,

– ggf. Hinweis, dass das Erzeugnis für eine bestimmte Altersgruppe bestimmt ist,

– ggf. Hinweis, dass das Erzeugnis die Gesundheit gefährden kann, wenn es von Personen konsumiert wird, die nicht an der/den Krankheit(en), Störung(en) oder Beschwerden leiden, für die das Erzeugnis bestimmt ist,

des Weiteren allgemeine Hinweise (Abs. 4):

– den Hinweis „Zur diätetischen Behandlung von …“, ergänzt durch die Krankheit(en), Störung(en) oder Beschwerden, für die das Erzeugnis bestimmt ist,

– ggf. einen Hinweis auf Vorsichtsmaßnahmen und Kontraindikationen,

– eine Beschreibung der Eigenschaften und/oder Merkmale, denen das Erzeugnis seine Zweckdienlichkeit verdankt, gegebenenfalls mit Angaben zu Nährstoffen, die vermehrt, vermindert, eliminiert oder auf andere Weise verändert wurden, sowie die Begründung für die Verwendung des Erzeugnisses,

– ggf. eine Warnung, dass das Erzeugnis nicht parenteral verwendet werden darf,

– ggf. Anweisungen für die sachgerechte Zubereitung, Verwendung und Lagerung des Erzeugnisses nach Öffnung des Behälters (Abs. 5).

Mangels besonderer Vorschriften für die Werbung finden die allgemeinen Regelungen der Richtlinie 89/398/EWG und der Etikettierungsrichtlinie Anwendung. Insbesondere gilt insoweit – vorbehaltlich den gesetzlich zulässigen bzw. vorgeschriebenen Angaben – Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 der Richtlinie 89/398/EWG, wonach die Kennzeichnung des diätetischen Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, die Aufmachung und die Werbung diesem Erzeugnis keine Eigenschaften zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder auf diese Eigenschaften hinweisen dürfen.

 

II.       Deutsches Recht der diätetischen Lebensmittel

Die EU-Vorgaben wurden durch die Diätverordnung (DiätV) in deutsches Recht transformiert. Die Diätverordnung gilt – neben den allgemeinen lebensmittelrechtlichen Vorschriften (LFGB u. a.) – für Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind. Sie vereint den Reglungsgehalt der beiden oben erörterten Richtlinien (RL 89/398/EWG, RL 1999/21/EG), regelt also sowohl diätetische Lebensmittel wie auch bilanzierte Diäten.

1.  Definitionen

Inhaltliche Abweichungen vom EU-Recht sind nicht (mehr) vorhanden, wenn auch der Wortlaut nicht deckungsgleich ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die Ausführungen oben verwiesen werden.

2.  Kennzeichnung und Werbung

Die Kennzeichnung und Werbung betreffend entspricht die deutsche Umsetzung nicht gänzlich den EU-Vorgaben. Dies gilt besonders für die Verwendung des Begriffs „diätetisch“. Während er nach dem EU-Recht bei Produkten für gesunde Säuglinge und Kleinkinder nicht zulässig ist, findet sich in der Diätverordnung (insb. §§ 2, 22 ff.) keine entsprechende Regelung. Nach der deutschen Verordnung ist der Begriff „diätetisch“ nur bei (sämtlichen) diätetischen Lebensmitteln zulässig, also nicht bei Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs. Das schließt diätetische Lebensmittel für gesunde Säuglinge und Kleinkinder ein.

Krankheitsbezogene Angaben sind weitgehend unzulässig. Schaut man sich § 12 Abs.2 S. 2 LFGB an, der das lebensmittelrechtliche Verbot der krankheitsbezogenen Werbung auf diätetische Lebensmittel für unanwendbar erklärt, könnte man meinen, hier wären der Werbung Tür und Tor geöffnet. Die Diätverordnung negiert diese Ausnahme im LFGB jedoch durch § 3 DiätV, der einen abschließenden Katalog zulässiger Werbeaussagen vorsieht, nämlich:

– Bei Lebensmitteln, die zur Behandlung von Störungen der Darmmotilität und der Darmflora sowie deren Folgeerscheinungen bei Säuglingen geeignet sind, die Aussage „Diätetisches Lebensmittel geeignet zur Behandlung der Säuglingsdyspepsie (Durchfallerkrankung beim Säugling) nur im Rahmen der ärztlichen Verordnung“; sofern sie zur Heilung geeignet sind, können sie zusätzlich als Heilnahrung bezeichnet werden,

– Lebensmitteln zur Behandlung von Leberzell- oder Niereninsuffizienz, die im Eiweiß-, Aminosäure- und Elektrolytgehalt entsprechend angepasst sind, undLebensmitteln, die zur Behandlung von angeborenen Stoffwechselstörungen geeignet sind, die Aussage „Diätetisches Lebensmittel geeignet zur Behandlung von …, nur unter ständiger ärztlicher Kontrolle verwenden“,

– Lebensmitteln, die zur besonderen Ernährung bei

  • Maldigestion oder Malabsorption,
  • Störungen der Nahrungsaufnahme,
  • Diabetes mellitus,
  • chronisch entzündlichen Darmerkrankungen oder prä- oder postoperativer Behandlung bei Operationen des Darmes,
  • chronischer Pankreatitis oder
  • Gicht

geeignet sind, die Aussage „zur besonderen Ernährung bei … im Rahmen eines Diätplanes“; bei diätetischen Lebensmitteln für Diabetiker kann auf diese Personengruppe in Verbindung mit der Bezeichnung zusätzlich hingewiesen werden.

Diese Kennzeichnungsvorschriften sind zwingend, sie müssen vom Hersteller exakt in dieser Form umgesetzt werden.

Weitere besondere Kennzeichnungsregelungen enthalten die §§ 15 ff. DiätV, auf die hier verwiesen werden soll. Für bilanzierte Diäten wird insbesondere auf die Vorschrift des § 21 DiätV hingewiesen. Gemäß § 21 Abs. 1 DiätV ist „Diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diät)“ Verkehrsbezeichnung im Sinne der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung. Auch im Übrigen entspricht die Vorschrift den Vorgaben der oben erläuterten Richtlinien, auf die hier Bezug genommen wird.

 

III.  Zusammenfassung

Die europäischen Vorgaben für diätetische Lebensmittel sind mittlerweile weitgehend deckungsgleich in deutsches Recht umgesetzt worden. Die Möglichkeiten für Hersteller von Lebensmitteln mit besonderer Zweckbestimmung, ihre Produkte als diätetisches Lebensmittel im Allgemeinen oder im Besonderen (bilanzierte Diät) an den Markt zu bringen, beschränken sich insgesamt auf relativ wenige Fälle. Die Verbrauchergruppen, für die der Gesetzgeber die Produktkategorie der diätetischen Lebensmittel vorgesehen hat, sind Personen, deren Verdauungs – bzw. Resorptionsprozess oder Stoffwechsel gestört ist, Personen, die sich in besonderen physiologischen Umständen befinden und deshalb einen besonderen Nutzen aus der kontrollierten Aufnahme bestimmter in der Nahrung enthaltener Stoffe ziehen können und gesunde Säuglinge und Kleinkinder. Diese Eingrenzung beschränkt einerseits die Reichweite der Regelungen für die Praxis, macht die diätetischen Lebensmittel aber andererseits für diese gesetzlich vorgesehen Zielgruppen zu einer hoch interessanten Produktkategorie.

Stand: 01.12.2005, Dr. Gordon Grunert, LL.M. Eur., www.anwaltskanzlei-grunert.de

Abgrenzung Arzneimittel – NEM

Die Popularität von Nahrungsergänzungsmitteln und ihr steigender Konsum sind ungebrochen. Der Markt wird mit neuen Produkten regelrecht überflutet. Mineralstoffprodukte, Vitaminpräparate, Pilzextrakte und andere Pflanzenkompositionen erfreuen sich bei den Verbrauchern zunehmender Beliebtheit. Umso wichtiger ist es für Hersteller und Händler, dass ihre Produkte den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Mit dem Auslaufen der Übergangsfristen nach der Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel (NemV) zum 30.11.2005 für den Vertrieb von sog. Altprodukten sind nur noch Produkte zulässig, die den neuen Vorgaben an Herstellung und Kennzeichnung entsprechen. Zudem muss es sich bei den Produkten auch tatsächlich um Nahrungsergänzungsmittel handeln. Eine Prüfung ist unumgänglich, da es schwerwiegende Folgen haben kann, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass es sich bei dem Produkt in Wahrheit um ein Arzneimittel handelt. Die Grenzen sind z. T. fließend, sodass sich die Gerichte immer wieder mit Abgrenzungsfragen beschäftigen. Im Folgenden soll daher ein Überblick über die wichtigsten Definitionen und Abgrenzungskriterien gegeben werden.

I. Was sind Nahrungsergänzungsmittel?

Nahrungsergänzungsmittel sind den Lebensmitteln zuzuordnen. Für sie gelten jedoch besondere Vorschriften in Form der Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel (NemV), die in Umsetzung der Europäischen Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie (RL 2002/46/EG) entstanden ist. 

Gemäß § 1 Abs. 1 NemV ist ein 

“(1) Nahrungsergänzungsmittel … ein Lebensmittel, das

1. dazu bestimmt ist, die allgemeine Ernährung zu ergänzen,

2. Ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in Zusammenhang darstellt und

3. In dosierter Form, insbesondere in Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen, in den Verkehr gebracht wird.”

Nahrungsergänzungsmittel können demnach als besondere Form von Lebensmitteln eingestuft werden, für die spezielle Vorschriften zu beachten sind. Ab dem 01.12.2005 dürfen nur noch Produkte hergestellt und in den Verkehr gebracht werden, die den Vorschriften der NemV entsprechen, insbesondere sind nur noch die in den Anlagen 1 und 2 NemV aufgeführten Vitamine und Mineralstoffe zulässig (soweit es sich um Produkte handelt, die Vitamine und Mineralstoffe enthalten). Zudem sind die besonderen Kennzeichnungsvorschriften und die Regelungen zur Produktbewerbung zu beachten.

Dem Erzeugnis muss ein Ernährungszweck anhaften, d. h. es muss geeignet sein, die stofflichen Bedürfnisse des Körpers ergänzend zu befriedigen. Dies wird nicht nur durch Vitamine und Mineralstoffe einschließlich Spurenelemente (= Nährstoffe gemäß § 1 Abs. 2 NemV) gewährleistet, sondern auch durch “sonstige Stoffe” mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung. Das betrifft Stoffe wie Johannisbrotkernmehl, Guarkenmehl, z. T. auch Pilzextrakte. 

II. Besonderheiten von Nahrungsergänzungsmitteln gegenüber einfachen Lebensmitteln

Die Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel stellt besondere Anforderungen an Herstellung, Verpackung, Kennzeichnung und Inverkehrbringen von Nahrungsergänzungsmitteln. Gemäß § 2 NemV dürfen diese Produkte, soweit sie zur Abgabe an den Verbraucher bestimmt sind, gewerbsmäßig nur in einer Fertigpackung in den Verkehr gebracht werden. Diese Fertigpackung unterliegt besonderen Kennzeichnungsvorschriften, die sich aus der NemV, der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, der Loskennzeichnungsverordnung sowie den allgemeinen lebensmittrechtlichen Vorschriften (LFGB = Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, bei Redaktionsschluss noch LMBG = Lebenmittel- und Bedarfsgegenständegesetz) ergeben. Ab dem 01.12.2005 müssen Produkte explizit als “Nahrungsergänzungsmittel” bezeichnet werden (§ 4 Abs. 1 NemV). Zudem müssen neben der nach der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung erforderlichen Kennzeichnung u. a. die

– Namen der Kategorien von Nährstoffen,

– empfohlene tägliche Verzehrsmenge sowie

– bestimmte Warnhinweise

angegeben werden (§ 4 Abs. 2 NemV). Des Weiteren darf ein Nahrungsergänzungsmittel gewerbsmäßig nur in den Verkehr gebracht werden, wenn die Mengenangaben der enthaltenen Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung Bezug nehmen auf die auf dem Etikett angegebene empfohlene tägliche Verzehrsmenge dieses Produkts (§ 4 Abs. 3 NemV). Dies geschieht i. d. R. der Übersichtlichkeit halber in tabellarischer Form. Bei der Aufmachung der Produkte ist darauf zu achten, dass nicht der Eindruck entsteht, eine Zufuhr angemessener Nährstoffmengen sei bei einer ausgewogenen, abwechslungsreichen Ernährung (also ohne Nahrungsergänzungen) nicht möglich (§ 4 Abs. 4 NemV).

Hersteller und Importeure von Nahrungsergänzungsmitteln müssen spätestens bei Einführung auf dem deutschen Markt (= erstes Inverkehrbringen) dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) Anzeige hierüber erstatten (§ 5 NemV). Ein entsprechendes Formular ist beim Amt erhältlich. Dem Formular ist zur Illustration ein Muster des für das Erzeugnis verwendeten Etiketts beizufügen.

Im Falle der Missachtung der Vorschriften der NemV drohen z. T. straf- und ordnungsrechtliche Sanktionen. So ist etwa die Verwendung eines nicht in den Anlagen 1 und/oder 2 NemV aufgeführten Nährstoffs nach § 6 Abs. 1 NemV strafbewehrt. Gleiches gilt für den Fall, dass der Warnhinweis “Die angegebene tägliche Verzehrsmenge darf nicht überschritten werden” fehlt. Zudem drohen wettbewerbsrechtliche Abmahnungen durch die Konkurrenz. 

III. Abgrenzung

Bei der Herstellung und vor der verkaufsfähigen Gestaltung stellt sich zunächst die Frage, wie das Produkt einzustufen ist. Hier werden Abgrenzungsfragen insbesondere zu Arzneimitteln und Kosmetikprodukten relevant. 

Abgrenzung Lebensmittel (insbesondere Nahrungsergänzungsmittel) – Arzneimittel

Die Abgrenzung zu Arzneimitteln ist anhand der EG-Basisverordnung (VO 178/2002/EG), der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie (RL 2002/46/EG), der geänderten Richtlinie 2001/83/EG (Arzneimittelkodex, geändert durch RL 2004/27/EG), den die europäischen Vorgaben umsetzenden nationalen Vorschriften sowie anhand der Rechtsprechung auf Europäischer und nationaler Ebene vorzunehmen.

Lebensmittel dienen bestimmungsgemäß der Ernährung. Arzneimittel sind dagegen gemäß Art. 1 Nr. 2 lit. a der geänderten Richtlinie 2001/83/EG 

“Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind, oder alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die am oder im menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen (Art. 1 Nr. 2 lit. b der geänderten Richtlinie 2001/83/EG).” 

Diese Arzneimitteldefinition, die zur Konkretisierung der Europäischen Vorgaben und zur Verbesserung der Abgrenzungskriterien zur Abänderung der ursprünglichen Arzneimitteldefinition im Arzneimittelkodex führte, enthält eine Zweiteilung. Sie orientiert sich zunächst an der Zweckbestimmung des Erzeugnisses, d. h. an der Widmung, die der Hersteller dem Produkt verliehen hat als “zur Heilung und Verhütung menschlicher Krankheiten” bestimmt. Hierbei spielt die Produktgestaltung und -kennzeichnung eine erhebliche Rolle. Es kann daher vorkommen, das ein Produkt – ohne dass es nach seiner Wirkungsweise/Funktion um ein Arzneimittel handelt – als Arzneimittel einzustufen wäre, wenn dies aufgrund seiner Widmung nach der Verkehrsauffassung geboten erscheint (sog. Präsentationsarzneimittel). Diese Orientierung an der Zweckbestimmung geht einher mit der Rechtsprechung des BGH. Danach ist für die Einordnung eines Produkts als Arznei- oder Lebensmittel 

“seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung entscheidend, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durch-schnittsverbraucher darstellt” (BGH, Urt. v. 22.07.2004, Az.: I ZR 288/01 – Johanniskraut).

Die zweite Definition nach der Richtlinie stellt auf die Wirkungsweise des Erzeugnisses ab, indem verschiedene Wirkungen (pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung) aufgezählt werden. Laut Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist im Rahmen der Prüfung, ob die zweite Definition einschlägig ist, auch eine etwa bestehende Gesundheitsgefahr zu berücksichtigen (EuGH, Urt. vom 09.06.2005, Az.: C-211/03 und weitere). Ein Erzeugnis ist als Arzneimittel einzustufen, wenn es unter eine dieser Definitionen fällt (vgl. im Übrigen die Def. in § 2 Abs. 1 AMG; es bleibt abzuwarten, inwieweit der Arzneimittelbegriff des AMG bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist der RL 2004/27/EG am 30.10.2005 angepasst wird).

Bei der Abgrenzung der Nahrungsergänzungen von den Arzneimitteln treten insoweit Probleme auf, als die Grenzen zwischen beiden Bereichen z. T. fließend sind. Oft ist ein Produkt durch Merkmale beider Bereiche gekennzeichnet. Für diesen Fall nimmt das geltende Recht mittlerweile eine klare Festlegung für die grundsätzliche Abgrenzung vor. Aus Art. 2 Abs. 3 lit. d EG-Basisverordnung und Art. 1 Abs. 2 Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie ergibt sich, dass Arzneimittel nicht zu den Lebensmitteln gehören. Art. 2 Abs. 2 der geänderten Richtlinie 2001/83/EG sieht vor:

“In Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von “Arzneimittel” als auch unter die Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften geregelt ist, gilt diese Richtlinie”.

Das bedeutet, es ist im Zweifel davon auszugehen, dass ein Arzneimittel vorliegt. Allerdings handelt es sich hier um einen Auffangtatbestand, der erst greift, wenn ein Erzeugnis nach umfassender Prüfung nicht eindeutig unter die Definition anderer Produktgruppen, insbesondere von Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln, Mitteln der Medizintechnik, Bioziden oder kosmetischen Mitteln, fällt (vgl. Erwägungsgrund 7 der Richtlinie 2004/27/EG). Wichtig ist in diesem Zusammenhang die schon im Gesetz vorgesehene Gesamtschau – also die Berücksichtigung aller Eigenschaften des Erzeugnisses. Der EuGH hat in einer seiner Entscheidung vom 09.06.2005 (Az.: C-211/03 und weitere) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass “…die Einstufung eines Erzeugnisses als Arzneimittel oder Lebensmittel … unter Berücksichtigung aller Merkmale vorgenommen werden [muss]”.

Bei der rechtlichen Überprüfung des Produktes wird von den Behörden und Gerichten meist zunächst geprüft, ob bereits eine Verkehrsauffassung festgestellt werden kann. Diese bildet den Ausgangspunkt für die weitere Prüfung, welche sich an den Kriterien der “Zweckbestimmung”, der “Eignung” und der “Darreichungsform” orientiert. Verallgemeinerungen sollte man jedoch nicht anstellen, das jede Abgrenzung im konkreten Einzelfall vorzunehmen ist. Der Europäische Gerichtshof führt hierzu in seiner Entscheidung vom 09.06.2005 (Az.: C-211/03 und weitere) aus:

“Um zu entscheiden, ob ein Erzeugnis als Arzneimittel oder als Lebensmittel im Sinne des Gemeinschaftsrechts einzustufen ist, hat die zuständige nationale Behörde von Fall zu Fall zu entscheiden und dabei alle seine Merkmale, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen Eigenschaften – wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen –, die Modalitäten seines Gebrauchs, den Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann, zu berücksichtigen.”

IV. Fallbeispiele

Glucoseaminsulfat ist nach einem Urteil des OLG Köln vom 26.05.2004 (Az.: 6 U 136/02) als Lebensmittel einzustufen. Das Nahrungsergänzungsmittel, das diesen Wirkstoff (Knorpelinhaltsstoff zur Anwendung bei Gelenkbeschwerden) enthielt, konnte weiterhin vertrieben werden.

Schlankheitsmittel können nach einer Entscheidung des OLG Schleswig vom 26.01.1999 (Az.: 6 U 71/98) als Lebensmittel einzustufen sein, wenn sie neben Füll- und Quellstoffen Nährstoffe (lebenswichtige Vitamine und Spurenelemente) enthalten.

Vitaminprodukte werden i. d. R. in Abhängigkeit von ihrer Konzentration beurteilt. Hochdosierte Vitamin-E-Produkte z. B. werden wegen der von Überdosierungen ausgehenden Gesundheitsgefahren als Arzneimittel eingestuft (OLG Hamm, Urt. v. 25.11.2004, Az.: 4 U 129/04). 

Extrakte aus chinesischen Heilpilzen sind nach einer Entscheidung des OVG Niedersachsen vom 08.07.2004 (Az.: 11 ME 12/04) als Lebensmittel (Nahrungsergänzungsmittel) einzustufen.

Bei Heilkräutern der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) hat das OVG Niedersachsen ähnlich entschieden und diese als Pflanzenteile eingestuft (Urt. v. 24.10.2002, Az.: 11 LC 207/02). Die Beurteilung dieser Produktgruppe bleibt jedoch innerhalb Deutschlands umstritten.

Die Arzneimittelüberwachung des Landes Bayern z. B. ist der Auffassung, bei TCM-Kräutern handele es sich um Arzneimittel. Argumentiert wird seitens der Behörden u. a. mit der Gefahr für den Verbraucher, wobei man auf schwere Vergiftungsfälle durch Verwechslungen mit hochgiftigen Pflanzen verweist. Diese restriktive Ansicht dürfte nun durch das oben zitierte EuGH-Urteil Unterstützung finden, soweit das Gericht die Gesundheitsgefahr für den Verbraucher als “eigenständigen Faktor” bezeichnet, den die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen der Einstufung des Erzeugnisses als Funktionsarzneimittel ebenfalls zu berücksichtigen haben.

Bei Sportlernahrung ist eine differenzierte Beurteilung vorzunehmen, die sich stark am Einzelfall orientiert. Die Einstufung als Nahrungsergänzungsmittel erscheint grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Jedoch ist – je nach konkretem Produkt, Inhaltsstoff, Dosierung und Produktaufmachung – auch die Einstufung als Arzneimittel oder auch als diätetisches Lebensmittel möglich. 

Handelt es sich bei einem Produkt um Dopingmittel (u. a. Steroide und Anabolika), liegt ein Arzneimittel vor (so OLG Hamburg, Urt. v. 26.05.2005, Az.: 3 U 73/02).

Muskelaufbaupräparate dagegen, die keine Dopingmittel darstellen, sind nicht ohne Weiteres als Arzneimittel einzustufen, auch wenn sie die Fähigkeit fördern sollen, Höchstleistungen erst zu erreichen. In seinem Urteil vom 06.05.2004 (Az.: I ZR 275/01 – Sportlernahrung II) hatte sich der BGH mit Muskelaufbauprodukten zu befassen, die Kreatin und Carnitin enthielten. Im Gegensatz zur Vorinstanz kam der BGH zu dem Ergebnis, dass es sich nicht um Arzneimittel handelte. Das Gericht führte aus, Muskelaufbaupräparate dienten besonderen physiologischen Bedürfnissen und sich daraus ergebenden Ernährungserfordernissen einer speziellen Personengruppe (u. a. Hochleistungssportler). Demzufolge seien die Produkte als diätetische Lebensmittel im Sinne der Diätverordnung einzustufen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 lit b DiätV). Hier ist allerdings zu beachten, dass eine hohe Dosierung, die metabolische Wirkungen entfaltet, wiederum dazu führen kann, dass das Erzeugnis als Arzneimittel einzustufen ist (vgl. OLG Düsseldorf, Az.: I-20 U 79/01). Das trifft auch zu, wenn die Dosierung des Mittels den ernährungsphysiologisch erforderlichen und möglichen Bedarf um ein Vielfaches übersteigt (BGH, Az.: I ZR 275/01 – Sportlernahrung II). 

Fischölpräparate sind nach einer Entscheidung des OLG Hamburg vom 27.01.2005 (Az.: 3 U 28/03) als Lebensmittel (in Form eines Diätetischen Lebensmittels im Sinne der DiätV) einzustufen. Das streitgegenständliche Produkt war als “Diätetisches Lebensmittel” und als geeignet “zur diätetischen Behandlung von entzündlich-rheumatischen Beschwerden” beschrieben worden. Das Gericht führte aus, die Omega-3-Fettsäure EPA stelle einen Nährstoff dar, der in der besonderen physiologischen Situation von Rheuma-Patienten erforderlich sei. Zudem reiche eine Modifizierung der Ernährung, die Verwendung anderer Lebensmittel oder die Kombination aus beidem bei diesen Patienten nicht aus, um deren Bedarf sicherzustellen, womit der Subsidiaritätsklausel gemäß § 1 Abs. 4a S. 2 DiätV genüge getan sei. 

Knoblauchpräparate wurden von der deutschen Rechtsprechung im Gegensatz zu den Gepflogenheiten vieler anderer EU-Mitgliedstaaten durchgehend als Arzneimittel eingestuft (vgl. nur BGH WRP 1995, 386 – Knoblauchkapseln). Der Verbraucher nehme Knoblauch aufgrund der allgemeinen Bekanntheit der medizinischen Wirkungen des darin enthaltenen Wirkstoffs als der Arterienverkalkung vorbeugendes Arzneimittel ein. Das Präparat könne nicht zu Ernährungszwecken verwendet werden, weil es keine Nährstoffe in nennenwertem Umfang enthalte (BGH a. a. O.). Diese Argumentation des BGH widerspricht der oben aufgezeigten Definition für Nahrungsergänzungsmittel (die Entscheidung datiert aus einer Zeit vor der Richtlinien- und Verordnungsgebung). Insbesondere sind nicht nur Erzeugnisse zulässig, die Nährstoffe enthalten, sondern auch “sonstige Stoffe” mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung. Diese Entscheidung kann daher nicht mehr als repräsentativ herangezogen werden. Hier bleibt abzuwarten, ob die deutsche Judikatur diese Haltung überdenken wird. Die EU-Kommission hat jedenfalls nach einer Pressemitteilung vom 18.03.2005 beschlossen, Deutschland wegen der konsequenten Einstufung von Knoblauchpräparaten als Arzneimittel vor dem EuGH zu verklagen. Sie sieht hierin einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 EG.

Stand: 15.09.2005, Dr. Gordon Grunert, LL.M. Eur., www.anwaltskanzlei-grunert.de

 

Arzneimittelgesetz: Die wichtigsten Neuerungen des Arzneimittelrechts nach der 13. AMG-Novelle

Das Arzneimittelrecht ist noch vor der vorgezogenen Bundestagswahl am 18.09.2005 in mehreren Gesetzesänderungen novelliert worden. Seit Anfang September ist die 13.  Novellierung des Arzneimittelgesetzes in Kraft. Sie dient u. a. der Umsetzung der geänderten Richtlinie über den Tierarzneimittelkodex. Die Änderungen sind insbesondere für Tierärzte und Apotheker von Interesse. So sind z. B. Erweiterungen der Abgabezeiträume für verschreibungspflichtige Arzneimittel (Ausnahme: Antibiotika), aber auch Beschränkungen bei der Einfuhr nach Deutschland vorgesehen. Es besteht Anpassungsbedarf in unterschiedlichen Bereichen. Dieser Beitrag wird die Gesetzesänderungen und damit einhergehende Handlungserfordernisse aufzeigen.

1.      Allgemeines

Die 13. Novellierung des Arzneimittelgesetzes richtet sich in erster Linie an Tierärzte und ist neben diesen für Unternehmen interessant, die ihrer Geschäftspraxis nach mit Tierärzten in Verbindung stehen. Die 13. AMG-Novelle knüpft an die 11. Novellierung an, deren Ziel es war, den Einsatz von Tierarzneimitteln durch Arzneimittelbestandsminimierung bei den Tierhaltern auf das therapeutisch unerlässliche Mindestmaß zu reduzieren. Sie dient in Teilen auch der Umsetzung der geänderten Richtlinie 2001/82/EG (durch RL 2004/28/EG).

2.       Zulassung/Herstellen

Das Gesetz ändert zunächst die Vorschriften über Zulassung und Herstellung (§ 21 AMG). Nunmehr dürfen gemäß § 21 Abs. 2a S. 2 AMG Arzneimittel auch für Tiere, die der Lebensmittelgewinnung dienen, in bestimmten Fällen (Therapienotstand) zulassungsfrei in der Apotheke hergestellt werden. Zudem wird die Ausnahmevorschrift in § 21 Abs. 2a S. 4 AMG erweitert. Danach gelten das Umfüllen, Abpacken und Kennzeichnen nicht als „Herstellen“ im Sinne des § 21 Abs. 2a S. 1 AMG, soweit

– keine Fertigarzneimittel in geeigneter Größe vorhanden sind (= alte Regelung) oder

– in sonstigen Fällen das Behältnis/die Verpackung, die unmittelbar mit dem Arzneimittel in Berührung kommt, nicht beschädigt wird (= neue Regelung).

Das bedeutet, dass nunmehr auch Umfüllungen etc. möglich werden, wenn geeignete Packungsgrößen im Handel erhältlich sind, sofern die Primärpackung nicht beschädigt wird. Dies gilt z. B. für Ampullen, spot-on-Tuben und Tabletten-Blister, die an den Nahtstellen getrennt werden dürfen.

3.     Abgabe von Arzneimitteln

§ 43 AMG (Apothekenpflicht u. a.) wird ergänzt durch die Klarstellung, dass Veterinärbehörden bestimmte Arzneimittel auch weiterhin zur Durchführung tierseuchenrechtlicher Maßnahmen unmittelbar an den Tierhalter abgeben dürfen (§ 43 Abs. 4 AMG). Gemäß § 43 Abs. 6 AMG dürfen Arzneimittel im Rahmen der Übergabe einer tierärztlichen Praxis an den Nachfolger im Betrieb der tierärztlichen Hausapotheke abgegeben werden.

a)      Abgabe von Fütterungsarzneimitteln

Gemäß § 56 Abs. 1 S. 2 AMG muss der Tierarzt im Falle der Verschreibung eines Fütterungsarzneimittels, dass unter bestimmten Voraussetzungen in der EU oder im EWR hergestellt wurde, der zuständigen Überwachungsbehörde unverzüglich eine Kopie der Verschreibung übersenden. Im Übrigen werden die Vorschriften über Fütterungsarzneimittel für der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere gemäß § 56 Abs. 5 AMG  den Regelungen für andere Tierarzneimittel angeglichen. Dies betrifft vor allem die zulässige Abgabemenge: bei verschreibungspflichtigen Arzneimittel-Vormischungen wird die 7-Tage-Regel auf 31 Tage erweitert mit Ausnahme von Arzneimitteln, die antimikrobiell wirksame Stoffe enthalten. Bei Antibiotika befürchtet man eine weitere Zunahme von Resistenz-Bildungen – für sie gilt weiterhin die 7-Tage-Regel (vorbehaltlich abweichender Zulassungsbedingungen). Die Verlängerung der Anwendungszeiträume wird vom Gesetzgeber damit begründet, dass sich in der Vergangenheit gezeigt habe, dass besonders die Behandlung von Erkrankungen mit endemischem Verlauf eine Flexibilisierung erfordere.

b)      Abgabe von Arzneimitteln in Übrigen

In § 56a wird die Abgabemenge zur Anwendung bei der Lebensmittelgewinnung dienenden Tieren entsprechend den soeben (a) genannten Zeiträumen angepasst. Nach dem neu gefassten § 56a Abs. 1 S. 2 AMG darf der Tierarzt verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Anwendung bei der Lebensmittelgewinnung dienenden Tieren für den jeweiligen Behandlungsfall erneut nur abgeben oder verschreiben, wenn er in einem Zeitraum von 31 Tagen vor dem Tag der letzten Anwendung eine Untersuchung durchgeführt hat.

Die Kaskadenregel betrifft das zulässige Verfahren einer Umwidmung von Arzneimitteln, wenn originär zur Behandlung vorgesehene/zugelassene Produkte nicht angewendet werden können. Die Anpassung der Kaskadenregel dient der Umsetzung der Richtlinie 2004/28/EG (zur Änderung des Tierarzneimittelkodex, 2001/82/EG). Sie besteht aus vier Stufen. Die erste Stufe, nach der zunächst Arzneimittel anzuwenden sind, die für die behandelte Tierart und ein anderes Behandlungsgebiet zugelassen sind, bleibt bestehen. Begründet wird dies vom Gesetzgeber mit dem Tierschutz und dem Verbraucherschutz. Die zweite Stufe betrifft die Substitution mit einem Arzneimittel, das für eine andere Tierart zugelassen ist. Hier fällt mit der 13. AMG-Novelle die Beschränkung auf Tiere, die nicht der Lebensmittelgewinnung dienen, weg. Die dritte Stufe sieht die Sustitution mit einem für die Anwendung beim Menschen zugelassenen Arzneimittel vor. Alternativ hierzu kann auch ein Tierarzneimittel mit europäischer Zulassung zur Anwendung kommen. Die vierte Stufe regelt die Substitution durch ein in einer Apotheke oder durch einen Tierarzt nach § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit. d AMG hergestelltes Arzneimittel. Danach stellt sich gemäß § 56a Abs. 2 AMG folgende Abstufung dar:

1. Stufe: Substitution mit Tierarzneimittel für behandelte Tierart und anderes Behandlungsgebiet.

2. Stufe: Substitution mit Tierarzneimittel für andere Tierart.

3. Stufe: Substitution mit Humanarzneimittel oder Tierarzneimittel mit EU/EWG-Zulassung

4. Stufe: Substitution durch Verdünnen.

Die Pflicht zur persönlichen Anwendung durch den Tierarzt bzw. zur Verabreichung unter seiner Aufsicht beschränkt sich gemäß Satz 2 nur noch auf Tiere, die der Lebensmittelgewinnung dienen.

4.      Wegfall Genehmigungsverfahren, Anzeigepflicht, § 73 Abs. 3 AMG

Eine weitere Liberalisierung tritt ein mit dem Wegfall des Genehmigungsverfahrens für die (Einzel)Einfuhr von Arzneimitteln zur Anwendung bei der Lebensmittelgewinnung dienenden Tieren. Anstelle der Genehmigungspflicht tritt eine Anzeigepflicht des Tierarztes gegenüber der zuständigen Behörde. Die Regelung gilt für alle Tierarzneimittel aus der EU und dem EWR ohne deutsche Zulassung, die in dem Staat, aus dem sie eingeführt werden sollen, verkehrsfähig sind. Voraussetzung dieser Einzeleinfuhr ist, dass

– sie von einer Apotheke oder von einem Tierarzt im Rahmen des Betriebs einer tierärztlichen Hausapotheke für die von ihm zu behandelnden Tiere bestellt werden,

– es sich um geringe Mengen des Arzneimittels handelt,

– die auf besondere Bestellung von Apotheken bezogen und

– nur im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs abgegeben werden.

Zudem dürfen Arzneimittel aus Nicht-EU/EWR-Staaten, die zur Anwendung bei der Lebensmittelgewinnung dienenden Tieren bestimmt sind, von Apotheken nur auf tierärztliche Verschreibung bezogen werden.

Tierärzte dürfen im Wege der Einzeleinfuhr nur Arzneimittel aus EU/EWG-Staaten beziehen und dies auch nur, wenn in Deutschland kein zur Erreichung des Behandlungsziels geeignetes Produkt verfügbar ist; gleiches gilt für Apotheken, wenn sie im Auftrag eines Tierarztes bestellen und an diesen abgeben. Dies stellt eine Einfuhrbeschränkung insbesondere für den Tierarzt dar. Er kann – mit Ausnahme von Humanarzneimitteln, die er in diesem Rahmen generell nicht mehr importieren darf – nur noch einführen, was er entsprechend den Vorschriften über die Umwidmungskaskade gemäß § 56a anwenden darf (s. o. 3. b). Für den Tierarzt ist somit eine Einfuhr aus Drittstaaten ausgeschlossen. Darüber hinaus ist ihm die Einzeleinfuhr von Humanarzneimitteln zu Umwidmungszwecken nicht mehr möglich. Nach dem Wortlaut des § 73 Abs. 3 S. 3 AMG dürfen

„Tierärzte … solche Arzneimittel nur beziehen, … soweit es sich um zur Anwendung bei Tieren bestimmte Arzneimittel … handelt“.

Der Tierarzt muss jede Bestellung, jeden Auftrag und jede Verschreibung unverzüglich der zuständigen Behörde anzeigen (Anzeigepflicht).

5.      Übergangsregelung

Gemäß § 140 AMG dürfen abweichend von § 56a Abs. 2 und § 73 Abs. 3 Arzneimittel bei Tieren, die nicht der Lebensmittelgewinnung dienen, noch bis zum 29. Oktober 2005 nach den alten Regelungen importiert, verschrieben, abgegeben und angewandt werden. Die Übergangsregelung fällt denkbar knapp aus. Dies mag mit der Ende Oktober auslaufenden Umsetzungsfrist für die Richtlinien zusammenhängen. Insbesondere die Tierärzte sind aufgrund der dargelegten Beschränkungen der Einzeleinfuhr gehalten, ihre Tätigkeiten rechtzeitig den neuen Reglungen  anzupassen. Im Übrigen (insbesondere bei Tieren, die nicht der Lebensmittelgewinnung dienen) sind keine Übergangsbestimmungen vorgesehen. Hier gelten bereits seit dem 02. September 2005 die neuen Vorschriften. Das betrifft auch die vorgenommenen Liberalisierungen (Herstellung, Umfüllen, Abpacken, Flexibilisierung 7-Tage-Regel u. a.).

Stand: 06.09.2005, Dr. Gordon Grunert, LL.M. Eur., www.anwaltskanzlei-grunert.de

 

Nahrungsergänzungsmittel: Fristablauf Kennzeichnung

Händler von Nahrungsergänzungsmitteln sind gehalten, bis zum 30.11.2005  Nahrungsergänzungen, die nicht den neuen gesetzlichen Anforderungen an die Kennzeichnung entsprechen, zu verkaufen. Hersteller sollten spätestens jetzt beginnen, ihre Herstellung und Kennzeichnung den neuen Vorschriften anzupassen. Ab dem 01.12.2005 sind sämtliche Altprodukte vom Markt zu nehmen.

Missverständliche Regelung in § 7 NEMV

Die Formulierung der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NEMV) ist einigermaßen missverständlich. Gemäß § 7 Abs. 1 NEMV dürfen Nahrungsergänzungsmittel

“…bis zum 30. November 2005 … noch nach den bis zum 28. Mai 2004 geltenden Vorschriften hergestellt und in den Verkehr gebracht werden.”

Diese Formulierung weckt den Anschein, als könnten Hersteller bis zum 30.11.2005 bedenkenlos nach den alten Vorschriften herstellen und kennzeichnen. In der Praxis ist deshalb die Frage aufgekommen, ob es keine zusätzlichen Abverkaufsfristen gäbe für Nahrungsergänzungen, die bis Ende November 2005 nach altem Recht hergestellt wurden. Niemandem sei geholfen, wenn er bis Ende November herstellen, aber nicht mehr nach dem 30.11.2005 in Verkehr bringen dürfe. Es müsse eine Abverkaufsfrist für derartige Produkte geben, da der Zeitraum von der Herstellung über den Verkauf an Zwischenhändler bis hin zum Endverbraucher nicht berücksichtigt worden sei.

Die Frage findet ihre Berechtigung in der oben genannten Regelung. Diese setzt missverständlich die Übergangsfrist für die Herstellung mit der des Inverkehrbringens gleich. In Wirklichkeit handelt es sich bei der gesetzlichen Übergangsregelung jedoch um eine Abverkaufsfrist, was zur Folge hat, dass sämtliche Altprodukte spätestens am 01.12.2005 vom Markt zu nehmen sind. Gesonderte Abverkaufsfristen, wie sie beispielsweise für einige Arzneimittel im Arzneimittelgesetz (z. B. in Angelegenheiten der Nachzulassung) explizit in das Gesetz aufgenommen worden sind, sind im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel nicht vorgesehen. So kann es im Ergebnis nur als redaktionelle Ungenauigkeit seitens des Verordnungsgebers zu werten sein, soweit die Übergangsfristen für das Herstellen und Inverkehrbringen in § 7 NEMV gleichgesetzt worden sind.

Wer ist Inverkehrbringer?

Gemäß § 7 Abs. 1 LMBG (Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz) ist Inverkehrbringer derjenige, der die Produkte

– anbietet,

– zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe vorrätig hält,

– feilhält oder

– an andere abgibt.

Der Begriff des Inverkehrbringens ist demnach weit definiert und erfasst die gesamte Handelskette. Somit gilt die Regelung über das Inverkehrbringen in § 7 NEMV ausnahmslos für jeden Händler von Nahrungsergänzungen, also insbesondere Hersteller, Großhändler und Apotheken.

Risiken

Gemäß § 6 NEMV sind Verstöße gegen die Herstellungs- und Kennzeichnungsvorschriften straf- bzw. bußgeldbewehrt. Zudem drohen behördliche Untersagungsverfügungen. Von Seiten der Privatwirtschaft drohen wettbewerbsrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche.

Handlungserfordernisse

In der Konsequenz dieser Risiken muss spätestens jetzt die gesamte Handelskette tätig werden. Die Hersteller sollten ihre Herstellungsprozesse anpassen. Dabei sind ausschließlich die nach § 3 NEMV in Verbindung mit den Anlagen 1 und 2 der NEMV zulässigen Vitamine und Mineralstoffe zu verwenden. Die Kennzeichnung der Produkte richtet sich vor allem nach den Vorgaben der NEMV, der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, der Loskennzeichnungsverordnung sowie den allgemeinen lebensmittrechtlichen Vorschriften (LMBG, demnächst LFGB = Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch).

Die Händler sollten darauf achten, dass sie ihre Altprodukte möglichst zügig abverkaufen. Zudem sollten die Lieferanten angehalten werden, nur noch Produkte zu liefern, die den neuen Vorschriften entsprechen, erforderlichenfalls sind sie schriftlich darauf hinzuweisen, dass ab einer angemessen festgesetzten Frist keine Altprodukte mehr abgenommen werden.

Bei Unsicherheiten darüber, ob die Produkte des Lieferanten den neuen Regelungen entsprechen, sollte man sich von seinem Vertragspartner eine schriftliche Erklärung hierüber  ausstellen lassen. Alternativ kann an den Hersteller herangetreten werden. Auf diese Weise minimiert man das Risiko, von Behörden Auflagen zu erhalten oder von der Konkurrenz abgemahnt zu werden.

Fazit

Die Übergangsregelung in § 7 Abs. 1 NEMV ist als Abverkaufsfrist für die nach altem Recht hergestellten und gekennzeichneten Nahrungsergänzungsmittel zu werten, sodass jedes Glied der Handelskette darauf zu achten hat, dass sämtliche Altprodukte spätestens am 01.12.2005 vom Markt genommen werden. Anderenfalls drohen Maßnahmen durch die Lebensmittelüberwachungsbehörden und Abmahnungen durch die Konkurrenz. Die Hersteller sollten die Herstellung und Kennzeichnung bereits jetzt den neuen Regelungen anpassen, da viele Großhändler aufgrund der Befürchtung, auf den Altprodukten sitzen zu bleiben, inzwischen keine Altprodukte mehr abnehmen. Großhändler sollten sich im Zweifel die Ordnungsgemäßheit der Ware von ihren Lieferanten oder vom Hersteller schriftlich bestätigen lassen.

Stand: 01.09.2005, Dr. Gordon Grunert, LL.M. Eur., www.anwaltskanzlei-grunert.de