Unternehmen der Lebensmittelbranche, die Produkte mit besonderer Zweckbestimmung an den Markt bringen wollen, die nicht zu den Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs gehören, stehen vor der Entscheidung, in welche Lebensmittelkategorie ihr Produkt eingestuft werden soll. Von dieser Entscheidung hängt ab, wie das Erzeugnis zu kennzeichnen ist und wie es beworben werden darf. Häufig kommen sowohl Nahrungsergänzungsmittel als auch diätetische Lebensmittel in Betracht. Beide Kategorien haben unterschiedliche Anforderungen und Möglichkeiten der Kennzeichnung und Bewerbung. Die Kenntnis der wesentlichen Abgrenzungskriterien, Möglichkeiten und Grenzen sind für die unternehmerische Entscheidung, welcher Produktkategorie er sich zuwendet, von erheblicher Bedeutung.
I. Gesetzliche Vorgaben für diätetische Lebensmittel
1. EU-Recht
Die europäischen Vorgaben für diätetische Lebensmittel finden sich in der Richtlinie 89/398/EWG des Rates vom 03.05.1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind. Diese Richtlinie ersetzt die ursprünglich zur Regelung dieser Materie erlassene Richtlinie 77/94/EWG, die zwischenzeitlich mehrfach geändert worden war. Die europäische Regelung dient der Angleichung der Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen der Mitgliedstaaten und dem Schutz der Verbraucher vor Täuschungen und Fehlkennzeichnungen. Ergänzend zu den Spezialvorschriften der Richtlinie sind diejenigen der EG-Basisverordung[1] sowie der Healthclaims-Verordnung[2] hinzuzuziehen.
a) Definition
Die Richtlinie bezieht sich auf Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind (Art. 1 Abs. 1). Das sind Lebensmittel, die sich aufgrund ihrer besonderen Zusammensetzung oder des besonderen Verfahrens ihrer Herstellung deutlich von den Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs unterscheiden, die sich für den angegebenen Ernährungszweck eignen und mit dem Hinweis darauf in den Verkehr gebracht werden, dass sie für diesen Zweck geeignet sind. Des Weiteren beschränkt die Regelung den Anwendungsbereich auf bestimmte Verbrauchergruppen. Eine besondere Ernährung muss danach den besonderen Ernährungserfordernissen folgender Verbrauchergruppen entsprechen:
– bestimmter Gruppen von Personen, deren Verdauungs – bzw. Resorptionsprozess oder Stoffwechsel gestört ist, oder
– bestimmter Gruppen von Personen, die sich in besonderen physiologischen Umständen befinden und deshalb einen besonderen Nutzen aus der kontrollierten Aufnahme bestimmter in der Nahrung enthaltener Stoffe ziehen können, oder
– gesunder Säuglinge oder Kleinkinder.
b) Kennzeichnung und Werbung
aa) Allgemeine Erfordernisse an die Kennzeichnung und Werbung
Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 89/398/EWG sieht vor, dass nur diejenigen diätetischen Lebensmittel der ersten beiden oben aufgezählten Verbrauchergruppen (s. o. I. 1. a) mit dem Wort „diätetisch“ gekennzeichnet werden dürfen. Die Gruppe der gesunden Säuglinge und Kleinkinder ist davon ausgenommen. Das bedeutet, dass sich die Bezeichnung „diätetisch“ nur noch auf Personengruppen beziehen darf, deren Verdauungs- bzw. Resorptionsprozess oder Stoffwechsel gestört ist oder die sich aufgrund besonderer physiologischer Umstände die kontrollierte Aufnahme in der Nahrung erhaltener Stoffe nutzbar machen können. Ein Hinweis auf die Eignung des Produktes für den angegebenen Ernährungszweck ist schon per definitionem vorgeschrieben (Art. 1 Abs. 2 lit. a). Gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 der Richtlinie 89/398/EWG dürfen die Kennzeichnung des diätetischen Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, die Aufmachung und die Werbung diesem Erzeugnis keine Eigenschaften zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder auf diese Eigenschaften hinweisen. Zur Verkehrsbezeichnung muss auch die Angabe der besonderen nutritiven Eigenschaften des Produkts gehören; bei Produkten zur Ernährung von gesunden Säuglingen und Kleinkindern durch die Angabe des Zwecks, für den sie bestimmt sind. Im Übrigen gelten die allgemeinen Anforderungen der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (Etikettierungsrichtlinie).
bb) Besondere Erfordernisse an die Kennzeichnung
Bei der Prüfung der besonderen Kennzeichnungserfordernisse ist zu unterscheiden zwischen Erzeugnissen, deren Kennzeichnung von den Vorschriften der Richtlinie 89/398/EWG erfasst wird und solchen, für die Sondervorschriften in Form sog. Einzelrichtlinien gelten. Letztere sind (Anhang 1 der Richtlinie 89/398/EWG):
– Säuglingsfertignahrung,
– Folgemilch und andere Folgelebensmittel,
– Sonstige Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder,
– Lebensmittel mit niedrigem oder reduziertem Brennwert zur Gewichtsüberwachung,
– Diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten),
– Natriumarme Lebensmittel einschließlich Diätsalze, die einen niedrigen Natriumgehalt aufweisen oder natriumfrei sind,
– Glutenfreie Lebensmittel,
– Lebensmittel für intensive Muskelanstrengungen, vor allem für Sportler,
– Lebensmittel für Personen, die unter einer Störung des Glucosestoffwechsels leiden (Diabetiker).
Für diese Produkte ergibt sich das Nähere aus Spezialregelungen. Den Rahmen für die Ausgestaltung dieser Einzelrichtlinien bildet Art. 4 Abs.1 RL 398/EWG (neben der Kennzeichnung und Werbung z. B. Zusammensetzung, Qualität der Ausgangsstoffe, Hygiene).
Für die Produkte, die keinen Einzelrichtlinien unterliegen gilt hinsichtlich der besonderen Kennzeichnungserfordernisse folgendes (Art. 7 Abs. 3 RL 89/398/EWG):
Die Kennzeichnung muss umfassen:
– die Besonderheiten der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung oder den besonderen Herstellungsprozess, durch die das Erzeugnis seine besonderen nutritiven Eigenschaften erhält,
– den in kJ und kcal ausgedrückten physiologischen Brennwert sowie den Gehalt an Kohlehydraten, Eiweißstoffen und Fetten auf je 100 g oder 100 ml des in den Handel gebrachten Erzeugnisses und gegebenenfalls auf die für den Verzehr vorgeschlagene Menge bezogen, sofern das Erzeugnis in dieser Weise angeboten wird . Beträgt dieser Brennwert jedoch weniger als 50 kJ (12 kcal) in 100 g oder 100 ml des in den Handel gebrachten Erzeugnisses, so können die Angaben durch den Hinweis „Brennwert unter 50 kJ (12 kcal) in 100 g“ oder “ Brennwert unter 50 kJ (12 kcal) in 100 ml“ ersetzt werden.
c) Sonderregelungen für Bilanzierte Diäten (diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke)
Einen Spezialfall der diätetischen Lebensmittel bilden die sog. Bilanzieren Diäten. Hierbei handelt es sich um diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke nach der gleichnamigen Richtlinie 1999/21/EG der Kommission vom 25.03.1999. Diese Richtlinie baut auf der vorstehend erläuterten Richtlinie 89/398/EWG auf. Bei der Einstufung ist also zunächst zu prüfen, ob es sich bei dem Produkt um ein diätetisches Lebensmittel im Allgemeinen handelt, bevor man zur Einstufung als bilanzierte Diät im Besonderen übergeht.
aa) Definition
Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke bezeichnet eine Kategorie von Lebensmitteln für eine besondere Ernährung, die
– auf besondere Weise verarbeitet oder formuliert,
– für die diätetische Behandlung von Patienten gedacht und
– unter ärztlicher Aufsicht
zu verwenden sind. Ihr Zweck ist die ausschließliche oder teilweise Ernährung von Patienten mit eingeschränkter, behinderter oder gestörter Fähigkeit zur Aufnahme, Verdauung, Resorption, Verstoffwechslung oder Ausscheidung gewöhnlicher Lebensmittel oder bestimmter darin enthaltener Nährstoffe oder ihrer Metaboliten oder von Patienten mit einem sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf, für deren diätetische Behandlung eine Modifizierung der normalen Ernährung, andere Lebensmittel für eine besondere Ernährung oder eine Kombination aus beiden nicht ausreichen (Art. 1 Abs. 2 lit. b RL 1999/21/EG). Zur „besonderen Formulierung“ enthält die Richtlinie folgende Vorgaben: Die Formulierung von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke muss auf vernünftigen medizinischen und diätetischen Grundsätzen beruhen. Die Produkte müssen sich gemäß den Anweisungen des Herstellers sicher und nutzbringend verwenden lassen und wirksam sein in dem Sinne, dass sie den besonderen Ernährungserfordernissen der Personen, für die sie bestimmt sind, entsprechen, was durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Daten zu belegen ist (Art. 3 RL 1999/21/EG). Zudem müssen die Produkte den im Anhang der Richtlinie dargelegten Kriterien für die Zusammensetzung genügen (Vitamin- und Mineralstofftabellen, Spurenelemente). „Diätetische Behandlung“ meint eine besondere Nährstoffversorgung im Sinne einer Aufrechterhaltung der Körperfunktionen bestimmter Personengruppen. Vordergründig geht es also um eine optimale Nährstoffversorgung, nicht um einen therapeutischen Behandlungserfolg.
Gemäß Art. 1 Abs. 3 RL 1999/21/EG werden diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke in folgende drei Kategorien unterteilt:
– diätetisch vollständige Lebensmittel mit einer Nährstoff-Standardformulierung, die bei Verwendung nach den Anweisungen des Herstellers die einzige Nahrungsquelle für die Personen, für die sie bestimmt sind, darstellen können,
– diätetisch vollständige Lebensmittel mit einer für eine bestimmte Krankheit oder Störung oder für bestimmte Beschwerden spezifischen angepassten Nährstoffformulierung, die bei Verwendung nach den Anweisungen des Herstellers die einzige Nahrungsquelle für die Personen, für die sie bestimmt sind, darstellen können,
– diätetisch unvollständige Lebensmittel mit einer Standardformulierung oder einer für eine bestimmte Krankheit oder Störung oder für bestimmte Beschwerden spezifischen angepassten Nährstoffformulierung, die sich nicht für die Verwendung als einzige Nahrungsquelle eignen.
Die Regelung gibt damit zwei Kategorien bedarfsdeckender bilanzierter Diäten und eine Kategorie ergänzender bilanzierter Diäten vor.
bb) Kennzeichnung und Werbung
Bilanzierte Diäten unterliegen zunächst den allgemeinen Vorschriften der Etikettierungsrichtlinie (RL 2000/13/EG) und der Richtlinie 89/398/EWG. Insoweit wird auf die Ausführungen oben (I. 1. b aa) verwiesen. Die Richtlinie 1999/21/EG ist eine Einzelrichtlinie im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 89/398/EWG, in der Anforderungen an die Zusammensetzung und Kennzeichnung von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke festgelegt sind (Art. 1 Abs. 1 RL 1999/21/EG). Nach Art. 4 der Richtlinie 1999/21/EG ist die deutsche Verkehrsbezeichnung für bilanzierte Diäten „Diätetisches/Diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diäten)“.
Die Angabe der Nährwerte richtet sich nach Artt. 3, 4 Abs. 2 der Richtlinie 1999/21/EG: Angaben zu:
– verfügbarer Brennwert in kJ und kcal sowie den Gehalt an Proteinen, Kohlehydraten und Fetten,
– durchschnittliche Menge sämtlicher in dem Erzeugnis enthaltener und im Anhang der Richtlinie aufgeführten Mineralstoffe und Vitamine,
– den Gehalt an Bestandteilen von Proteinen, Kohlehydraten und Fetten und/oder an sonstigen Nährstoffen und deren Bestandteilen, sofern diese Information zur zweckentsprechenden Verwendung des Erzeugnisses erforderlich ist,
– gegebenenfalls zur Osmolalität oder Osmolarität des Erzeugnisses
– Ursprung und Art der in dem Erzeugnis enthaltenen Proteine und/oder Proteinhydrolysate.
Zudem ist gemäß Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 1999/21/EG ein „wichtiger Hinweis“ (oder gleichbedeutende Formulierung) anzubringen zu folgenden Punkten
– Hinweis, dass das Erzeugnis unter ärztlicher Aufsicht verwendet werden muss,
– Hinweis, ob das Erzeugnis zur Verwendung als einzige Nahrungsquelle geeignet ist,
– ggf. Hinweis, dass das Erzeugnis für eine bestimmte Altersgruppe bestimmt ist,
– ggf. Hinweis, dass das Erzeugnis die Gesundheit gefährden kann, wenn es von Personen konsumiert wird, die nicht an der/den Krankheit(en), Störung(en) oder Beschwerden leiden, für die das Erzeugnis bestimmt ist,
des Weiteren allgemeine Hinweise (Abs. 4):
– den Hinweis „Zur diätetischen Behandlung von …“, ergänzt durch die Krankheit(en), Störung(en) oder Beschwerden, für die das Erzeugnis bestimmt ist,
– ggf. einen Hinweis auf Vorsichtsmaßnahmen und Kontraindikationen,
– eine Beschreibung der Eigenschaften und/oder Merkmale, denen das Erzeugnis seine Zweckdienlichkeit verdankt, gegebenenfalls mit Angaben zu Nährstoffen, die vermehrt, vermindert, eliminiert oder auf andere Weise verändert wurden, sowie die Begründung für die Verwendung des Erzeugnisses,
– ggf. eine Warnung, dass das Erzeugnis nicht parenteral verwendet werden darf,
– ggf. Anweisungen für die sachgerechte Zubereitung, Verwendung und Lagerung des Erzeugnisses nach Öffnung des Behälters (Abs. 5).
Mangels besonderer Vorschriften für die Werbung finden die allgemeinen Regelungen der Richtlinie 89/398/EWG und der Etikettierungsrichtlinie Anwendung. Insbesondere gilt insoweit – vorbehaltlich der gesetzlich zulässigen bzw. vorgeschriebenen Angaben – Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 der Richtlinie 89/398/EWG, wonach die Kennzeichnung des diätetischen Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, die Aufmachung und die Werbung diesem Erzeugnis keine Eigenschaften zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder auf diese Eigenschaften hinweisen dürfen.
1. Deutsches Recht
Die EU-Vorgaben wurden durch die Diätverordnung (DiätV) in deutsches Recht transformiert. Die Diätverordnung gilt – neben den allgemeinen lebensmittelrechtlichen Vorschriften (LFGB u. a.) – für Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind. Sie vereint den Reglungsgehalt der beiden oben erörterten Richtlinien (RL 89/398/EWG, RL 1999/21/EG), regelt also sowohl diätetische Lebensmittel wie auch bilanzierte Diäten.
a) Definitionen
Inhaltliche Abweichungen vom EU-Recht sind nicht (mehr) vorhanden, wenn auch der Wortlaut nicht deckungsgleich ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die Ausführungen oben verwiesen werden.
b) Kennzeichnung und Werbung
Die Kennzeichnung und Werbung betreffend, entspricht die deutsche Umsetzung nicht gänzlich den EU-Vorgaben. Dies gilt zunächst für die Verwendung des Begriffs „diätetisch“. Während er nach dem EU-Recht bei Produkten für gesunde Säuglinge und Kleinkinder nicht zulässig ist, findet sich in der Diätverordnung (insb. §§ 2, 22 ff.) keine entsprechende Regelung. Nach der deutschen Regelung ist der Begriff „diätetisch“ nur bei (sämtlichen) diätetischen Lebensmitteln zulässig, also nicht bei Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs. Das schließt diätetische Lebensmittel für gesunde Säuglinge und Kleinkinder ein.
Krankheitsbezogene Angaben sind weitgehend unzulässig. Schaut man sich § 12 Abs.2 S. 2 LFGB an, der das lebensmittelrechtliche Verbot der krankheitsbezogenen Werbung auf diätetische Lebensmittel für unanwendbar erklärt, könnte man meinen, hier wären der Werbung Tür und Tor geöffnet. Die Diätverordnung negiert diese Ausnahme im LFGB jedoch durch § 3 DiätV, der einen abschließenden Katalog zulässiger Werbeaussagen vorsieht, nämlich:
– Bei Lebensmitteln, die zur Behandlung von Störungen der Darmmotilität und der Darmflora sowie deren Folgeerscheinungen bei Säuglingen geeignet sind, die Aussage „Diätetisches Lebensmittel geeignet zur Behandlung der Säuglingsdyspepsie (Durchfallerkrankung beim Säugling) nur im Rahmen der ärztlichen Verordnung“; sofern sie zur Heilung geeignet sind, können sie zusätzlich als Heilnahrung bezeichnet werden,
– Lebensmitteln zur Behandlung von Leberzell- oder Niereninsuffizienz, die im Eiweiß-, Aminosäure- und Elektrolytgehalt entsprechend angepasst sind, und Lebensmitteln, die zur Behandlung von angeborenen Stoffwechselstörungen geeignet sind, die Aussage „Diätetisches Lebensmittel geeignet zur Behandlung von …, nur unter ständiger ärztlicher Kontrolle verwenden“,
– Lebensmitteln, die zur besonderen Ernährung bei
- Maldigestion oder Malabsorption,
- Störungen der Nahrungsaufnahme,
- Diabetes mellitus,
- chronisch entzündlichen Darmerkrankungen oder prä- oder postoperativer Behandlung bei Operationen des Darmes,
- chronischer Pankreatitis oder
- Gicht
geeignet sind, die Aussage „zur besonderen Ernährung bei … im Rahmen eines Diätplanes“; bei diätetischen Lebensmitteln für Diabetiker kann auf diese Personengruppe in Verbindung mit der Bezeichnung zusätzlich hingewiesen werden.
Diese Kennzeichnungsvorschriften sind zwingend, sie müssen vom Hersteller exakt in dieser Form umgesetzt werden.
Weitere besondere Kennzeichnungsregelungen enthalten die §§ 15 ff. DiätV, auf die hier verwiesen werden soll. Für bilanzierte Diäten wird insbesondere auf die Vorschrift des § 21 DiätV hingewiesen. Gemäß § 21 Abs. 1 DiätV ist „Diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diät)“ Verkehrsbezeichnung im Sinne der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung. Auch im Übrigen entspricht die Vorschrift den Vorgaben der oben erläuterten Richtlinien, auf die hier Bezug genommen wird.[3]
II. Gesetzliche Vorgaben für Nahrungsergänzungsmittel
1. EU-Recht
Die europäischen Vorgaben für Nahrungsergänzungsmittel finden sich in der Richtlinie 2002/46/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel. Die europäische Regelung soll homogene Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen der Mitgliedstaaten schaffen und definiert einheitliche Regeln für die Kennzeichnung und Bewerbung der Produkte. Ergänzend zu den Spezialvorschriften der Richtlinie sind diejenigen der EG-Basisverordung[4] sowie der Healthclaims-Verordnung[5] hinzuzuziehen.
a) Definitionen
Gemäß Art. 2 lit. a der Richtlinie 2002/46/EG sind „Nahrungsergänzungsmittel“ Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen und die aus Einfach- oder Mehrfachkonzentraten von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung bestehen und in dosierter Form in den Verkehr gebracht werden, d. h. in Form von z. B. Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen.
Nährstoffe sind Vitamine und Mineralstoffe (Art. 2 lit. b). Soweit Vitamine und Mineralstoffe verwendet werden, dürfen nur die in Anhang I der Richtlinie aufgeführten Nährstoffe in den in Anhang II aufgeführten Formen für die Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden (Art. 4 Abs. 1).[6]
b) Kennzeichnung und Werbung
aa) Positive Kennzeichnungselemente
Gemäß Art. 6 ist die Verkehrsbezeichnung „Nahrungsergänzungsmittel“. Wesentliche Kennzeichnungselemente sind folgende:
– die Namen der Kategorien von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen, die für das Erzeugnis kennzeichnend sind, oder eine Angabe zur Beschaffenheit dieser Nährstoffe oder sonstigen Stoffe;
– die empfohlene tägliche Verzehrsmenge in Portionen des Erzeugnisses;
– einen Warnhinweis, die angegebene empfohlene Tagesdosis nicht zu überschreiten;
– einen Hinweis darauf, dass Nahrungsergänzungsmittel nicht als Ersatz für eine abwechslungsreiche Ernährung verwendet werden sollten,
– einen Hinweis darauf, dass die Produkte außerhalb der Reichweite von kleinen Kindern zu lagern sind.
Die Menge der Nährstoffe oder sonstigen Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung, ist gemäß Art. 8 in numerischer Form auf dem Etikett anzugeben. Für Vitamine und Mineralstoffe sind die in Anhang I angegebenen Einheiten zu verwenden. Dabei muss die Mengenangabe der Nährstoffe oder sonstigen Stoffe pro empfohlener Tagesdosis des Erzeugnisses, die auf dem Etikett angegeben ist, erfolgen. Zudem muss bei Vitaminen und Mineralstoffen ein prozentualer Bezug zu den Referenzwerten gemäß der Richtlinie 90/496/EWG (Nährwertkennzeichnungsrichtlinie)[7]. Die Wertangaben stellen Durchschnittswerte dar und müssen auf nachvollziehbaren Untersuchungen / Analysen des Herstellers beruhen (Art. 9 Abs. 1).
bb) Negative Kennzeichnungselemente
Die Kennzeichnung und Werbung dürfen Nahrungsergänzungsmitteln keine Eigenschaften zuschreiben bzw. auf solche hinweisen, die der Verhütung, Behandlung oder Heilung einer Humanerkrankung dienen (Art. 6 Abs. 2). Die Kennzeichnung und Werbung dürfen keinen Hinweis enthalten, mit dem behauptet oder suggeriert wird, dass bei einer ausgewogenen, abwechslungsreichen Ernährung im Allgemeinen die Zufuhr angemessener Nährstoffmengen nicht möglich sei (Art. 7 Abs. 1).
2. Deutsches Recht
Die Richtlinie 2002/46/EG wurde durch die Nahrungsergänzungsmittelverordung (NemV) ins deutsche Recht transformiert. Ergänzend sind insbesondere die Nährwertkennzeichnungsverordnung, die Loskennzeichnungsverordnung, die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, die Fertigpackungsverordung sowie das LFGB heranzuziehen. Aus diesen Vorschriften ergeben sich in Bezug auf die Kennzeichnung insbesondere die oben erwähnten Referenzwerte, auf die bei den Nährstoffangaben Bezug zu nehmen ist, das Erfordernis der Angabe der Losnummer (Chargenbezeichnung), Schriftgröße, Inhaltsangaben und des Zutatenverzeichnisses. Werbevorschriften finden sich im LFGB, das detaillierte Verbote insbesondere der irreführende Werbung (§ 11 LFGB) enthält.[8]
III. Zusammenfassung
Für beide Formen von Lebensmitteln – den diätetischen Lebensmitteln, wie den Nahrungsergänzungen – gelten Sondervorschriften, die durch die allgemeinen Reglungen ergänzt werden. Das Recht beider Erscheinungsformen ist harmonisiert und in nationalstattliches Recht transformiert. Soweit noch vereinzelt Abweichungen des nationalen Rechts vom EU-Recht auftreten, sind diese mittels EU-Rechts konformer Auslegung zu lösen. Der Anwendungsbereich des Rechts der Nahrungsergänzungsmittel ist weiter als derjenige der diätetischen Lebensmittel insoweit, als die Definition für diätetische Lebensmittel enger und spezieller ausfällt: Er trifft nicht nur einen besonderen Ernährungszweck, sondern auch nur ganz bestimmte Verbrauchergruppen, z. B. Personen, die sich in besonderen physiologischen Umständen befinden (z. B. Bodybuilder). Der Begriff der Nahrungsergänzung ist hingegen nicht auf bestimmte Personengruppen beschränkt. Ferner gibt es innerhalb der diätetischen Lebensmittel die Sonderform der diätetischen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diäten), für die spezielle Vorschriften gelten. Der Zweck der bilanzierten Diäten liegt insbesondere in der Ernährung von Patienten mit Behinderungen bei der Nahrungsverwertung.
Bei der Überlegung, für welchen Produkttyp man sich bei der Einstufung seines Erzeugnisses entscheiden soll, steht die Festsetzung der Zielgruppe an erster Stelle. Man muss sich also fragen, ob man einen eingeschränkten Personenkreis bedienen möchte, wobei man anhand der oben aufgezeigten Produkttypen eine Dreiteilung vornehmen kann, welche in absteigender Reihenfolge die Eingrenzung der Zielgruppe veranschaulicht:
Gruppe 1: Nahrungsergänzungen – keine/wenig personenbezogene Einschränkung;
Gruppe 2: Diätetische Lebensmittel – mittlere personenbezogene Einschränkung;
Gruppe 3: Bilanzierte Diäten – starke personenbezogene Einschränkung.
Des Weiteren ist danach zu fragen, auf welche Weise die größte Verbraucherwahrnehmung erreicht werden kann. Je liberaler die Werbevorschriften, d. h. je konkreter der Hersteller für sein Produkt werben darf, desto besser greift sein Marketing. Nun unterliegen sämtliche Lebensmittel relativ strengen Werbevorschriften, welche detaillierte Irreführungsverbote und Verbote mit Krankheitsbezug festlegen. Dies ist durch die Healthclaims-Verordnung weiter verschärft worden, wenn deren Umsetzung auch in den nächsten Jahren erst schrittweise erfolgen wird. Umso wichtiger wird es, die unterschiedlichen Werbemöglichkeiten innerhalb der oben genannten Produktgruppen in die Überlegungen mit einzubeziehen. Das betrifft insbesondere den Krankheitsbezug. Eine Bezugnahme auf Krankheiten ist ausschließlich im Rahmen der Gruppe 3 (Bilanzierte Diäten) und nur gemäß den hierfür einschlägigen Vorschriften erlaubt. Bei den (einfachen) diätetischen Lebensmitteln ist wiederum eine besondere Hervorhebung der Ernährungsbedürfnisse bestimmter Personengruppen möglich. Nahrungsergänzungen treffen i. d. R. einen breiten Anwenderkreis.
Die Entscheidungsfindung für eine bestimmte Produktgruppe muss also in erster Linie zielgruppenorientiert erfolgen, wobei man die unterschiedlichen werblichen Möglichkeiten jeder Produktgruppe in die Überlegungen mit einbeziehen sollte. Von der Produktgruppe, für die man sich entscheidet, hängt wiederum ab, wie das Erzeugnis zu kennzeichnen ist.
Stand: 15.09.2007, Dr. Gordon Grunert, LL.M. Eur., www.anwaltskanzlei-grunert.de
[2] VO (EG) 1924/2006, vgl. dazu https://www.anwaltskanzlei-grunert.de/pdf/Healthclaimsverordnung.pdf.
[3] Zu den übrigen Kennzeichnungsvorschriften in deutschen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften vgl. unten II. 2.
[5] VO (EG) 1924/2006, vgl. dazu https://www.anwaltskanzlei-grunert.de/pdf/Healthclaimsverordnung.pdf.
[6] Eine aktuelle Änderung des Anhangs II wurde vorgenommen durch die Richtlinie 2006/37/EG der Kommission vom 30. März 2006 zur Änderung von Anhang II der Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zwecks Aufnahme bestimmter Stoffe. Für sog. „Alt-Nährstoffe“ gelten bis Ablauf 2009 Übergangsvorschriften (Art. 4 Abs. 6 RL 2002/46/EG).
[7] Geändert durch die Richtlinie 2003/120/EG der Kommission vom 5. Dezember 2003 zur Änderung der Richtlinie 90/496/EWG über die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln.
[8] Von einer detaillierteren Darstellung der Nebenvorschriften wird im Rahmen dieser Abhandlung abgesehen.