Kräutermischungen (zerkleinerte und getrocknete Pflanzenteile), die mit Zusätzen von Cannaboiden versehen sind, sind nach Ansicht des OLG Nürnberg (Urt. v. 10.12.2012, 1 St OLG Ss 246/12) als Arzneimittel einzustufen. Der Strafsenat subsumiert bei seiner Entscheidung streng unter § 2 Abs. 1 Nr. 2a AMG. Danach sind Arzneimittel Stoffe, die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen. Dies träfe auf die vorliegend untergemischten cannaboiden Substanzen zu, die in Kräutermischungen regelmäßig als Joint konsumiert würden. Zur Untermauerung verweist das Gericht auf BGHSt 54, 243: Stehe bei tatsächlich dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 AMG nach wirkenden Substanzen fest, dass zahlreichen Verbrauchern die Wirkungsweise bekannt ist und sich auch ein entsprechender Markt gebildet hat, d.h. die Substanz nach allgemeiner Verkehrsanschauung aus der Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers im Falle der Einnahme dazu bestimmt ist, den seelischen Zustand eines Menschen zu beeinflussen, liegt bereits nach objektiven Kriterien ein Arzneimittel vor.
Anmerkung: Wir befinden uns beim Funktionsarzneimittelbegriff. Das OLG Nürnberg nimmt zunächst zutreffend Bezug auf die BGH-Rechtsprechung zu § 2 Abs. 1 AMG. Es übersieht jedoch, dass es bei der Subsumtion eines Stoffes unter den Funktionsarzneimittelbegriff nicht ausreicht, allein auf seine objektive Zweckbestimmung abzustellen (hier Konsum als Joint, um eine cannaboide Wirkung zu erzielen). Vielmehr muss als weiteres Merkmal hinzutreten, dass das konkrete Erzeugnis, um dessen Einstufung es geht, tatsächlich pharmakologische Eigenschaften besitzt. Der EuGH hat in seiner Entscheidung C-319/05 in Bezug auf die Funktionsarzneimitteleigenschaft ausgeführt:
„Der Begriff des Arzneimittels nach der Funktion [soll] diejenigen Erzeugnisse erfassen, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt wurden und die tatsächlich dazu bestimmt sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen oder physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu bessern oder zu beeinflussen.“
Eben diese Feststellung der pharmakologischen Eigenschaften am konkreten Produkt bleibt im Urteil des OLG Nürnberg unscharf, was die Entscheidung mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG bedenklich erscheinen lässt. Der Sachverständige hatte geäußert, die Konzentration der psychoaktiven Inhaltsstoffe schwanke. Es bestehe die Gefahr der Überdosierung, da die Wirkstoffe innerhalb der einzelnen Kräutermischungen inhomogen verteilt seien, was z. B. darauf beruhe, dass die Mischung von Kräutern und Chemikalien nicht sorgfältig durchgeführt werde. Es fehlen Feststellungen zur Konzentration jedes einzelnen Päckchens. – Hier wären mit Blick auf die zitierte Rechtsprechung des EuGH und des BGH, auf die sich das OLG z. T. selbst bezieht, konkrete Feststellungen erforderlich gewesen. Insbesondere hätte sachverständig geklärt werden müssen, welche Kräutermischung tatsächlich hinreichende pharmakologische Eigenschaften aufwies.