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Lebensmittelkennzeichnung: Raffaello muss Mengenangabe erhalten, OLG Frankfurt Urteil vom 25.10.2018, Az. 6 U 175/17

Ferrero muss zukünftig seine „Raffaello“-Packungen mit der Mengenkennzeichnung gemäß Art. 23 i. V. m. Anhang Nr. 4 Lebensmittelinformations-VO (EU) Nr. 1169/2011 (LMIV) versehen. Entgegen der Ansicht des Süßwarenherstellers handele es sich bei den Folien, in die die einzelnen Süßwaren eingeschweißt sind, um „Einzelpackungen“ gem. Art. 23 i.V.m. Anhang IX Nr. 4 LMIV. Daher müsse die Stückzahl der enthaltenen Einzelpackungen auf der Umverpackung angegeben werden. Anderenfalls bestehe die Gefahr einer unsachgemäßen Beeinflussung der Kaufentscheidung des Verbrauchers.

Ferrrero war schon in der Vorinstanz unterlegen und kann noch Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.

Stand: 26.10.2018

EuGH, Urt. v. 06.09.2012, C-544-10 – Deutsches Weintor

Die Bezeichnung von Wein als „bekömmlich“ ist eine gesundheitsbezogene Angabe gemäß Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Healthclaimsverordnung, wenn die Bezeichnung verbunden wird mit dem Hinweis auf einen reduzierten Gehalt an Stoffen, die von einer Vielzahl von Verbrauchern als nachteilig angesehen werden.

Anmerkung: Der EuGH ist der Ansicht des Weinvermarkters, es handele sich um eine Angabe zum allgemeinen Wohlbefinden, weshalb sie keinen Gesundheitsbezug aufweise, nicht gefolgt. Aus dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV gehe hervor, dass eine „gesundheitsbezogene Angabe“ ausgehend von dem Zusammenhang definiert wird, der zwischen einem Lebensmittel (oder seinen Bestandteilen) und der Gesundheit bestehen muss. Diese Definition enthalte weder genauere Angaben dazu, ob es sich um einen unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang handeln muss, noch zu dessen Intensität und Dauer. Unter diesen Umständen sei der Begriff „Zusammenhang“ weit zu verstehen.

Damit verwirft der EuGH die vom BVerwG als vorlegender Instanz geäußerten Erwägungen, es spreche einiges dafür, eine gesundheitsbezogene Angabe erst dann anzunehmen, wenn längerfristige, nachhaltige Auswirkungen auf den körperlichen Zustand oder die Befindlichkeit angesprochen würden und nicht bloß flüchtige Einwirkungen auf Stoffwechselvorgänge. Der EuGH stellt klar, dass sowohl die vorübergehenden und flüchtigen Auswirkungen als auch die kumulativen Auswirkungen des wiederholten und längerfristigen Verzehrs zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus würdigt das Gericht den Umstand, dass neben der positiven Auslobung „bekömmlich“ auch das Fehlen oder die Minderung negativer oder schädlicher Auswirkungen suggeriert wurde, was für den Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe ebenfalls relevant sei.

Obwohl die Entscheidung im Rahmen der Alkoholwerbung erging und der EuGH ausdrücklich auf Art. 4 Abs. 3 S. 1 HCV hinweist, der vorsieht, dass gesundheitsbezogene Angaben bei Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent ausnahmslos verboten sind, wird die Entscheidung weitreichende Auswirkungen auf die Rechtsprechung auch im Bereich außerhalb der Werbung für alkoholische Getränke haben. Das weite Verständnis des Begriffs „Zusammenhang zwischen Lebensmittel und Gesundheit“ ist im Lebensmittelrecht bereichsübergreifend anzuwenden. Das „allgemeine Wohlbefinden“ gerät damit weiter ins Hintertreffen.

EuGH: Knoblauchpräparate keine Arzneimittel

In der Publikation vom 07.09.2007 war bereits ausführlich zu den Schlussanträgen der Generalanwältin Verica Trstenjak zur lebensmittelrechtlichen Einstufung von Knoblauchkapseln referiert worden. Der EuGH ist den Anträgen nunmehr erwartungsgemäß gefolgt. Insbesondere führt der EuGH in seiner Entscheidung vom 15. November 2007 (C-319/05) in Bezug auf die Funktionsarzneimitteleigenschaft aus:

„Anders als der Begriff des Arzneimittels nach der Bezeichnung, dessen weite Auslegung die Verbraucher vor Erzeugnissen schützen soll, die nicht die Wirksamkeit besitzen, welche sie erwarten dürfen, soll der Begriff des Arzneimittels nach der Funktion diejenigen Erzeugnisse erfassen, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt wurden und die tatsächlich dazu bestimmt sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen oder physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu bessern oder zu beeinflussen. […] Deshalb […] ist es nicht ausreichend, dass ein Erzeugnis Eigenschaften besitzt, die der Gesundheit im Allgemeinen förderlich sind, sondern es muss wirklich die Funktion der Verhütung oder Heilung besitzen.

Diese Feststellung gilt umso mehr für Erzeugnisse, die zusätzlich zu ihrer Eigenschaft als Lebensmittel anerkanntermaßen förderliche Wirkungen für die Gesundheit besitzen. Wie die Generalanwältin in Nr. 60 ihrer Schlussanträge dargelegt hat, gibt es nämlich zahlreiche allgemein als Lebensmittel anerkannte Erzeugnisse, die objektiv für therapeutische Zwecke verwendet werden können. Dieser Umstand kann jedoch nicht genügen, um ihnen die Eigenschaft eines Arzneimittels im Sinne der Richtlinie 2001/83 zu verleihen.“ (EuGH, Urt. v. 15.11.2007, C-319/05 – Knoblauchkapseln, Rz. 61, 64, 65).

Zwar ist die erhoffte Konkretisierung und Vertiefung der Ansätze der Generalanwältin ausgeblieben. Ebenso konnte sich der EuGH nicht dazu durchringen, den außerordentlich schwer definierbaren und z. T. sogar bestrittenen Begriff der pharmakologischen Eigenschaften zu konkretisieren. Gleichwohl ist dieses Urteil sehr erfreulich, da es einen großen Beitrag zur Rechtssicherheit leistet und insbesondere den Überwachungsbehörden ein klares Zeichen setzt, welche Maßstäbe in Zukunft bei der Subsumtion bestimmter Produkte unter die arzneimittel- und lebensmittelrechtlichen Begrifflichkeiten gelten.

Stand: 10.12.2007, Dr. Gordon Grunert, LL.M. Eur., www.anwaltskanzlei-grunert.de

 

Lebensmittel: Kategorien und Definitionen

Lebensmittel sind nach der sog. EG-Basisverordnung (VO 178/2002) alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufge­nommen werden. Zu Lebensmitteln zählen auch Wasser und andere Getränke, Kaugummi sowie alle Stoffe, die dem Lebensmittel bei seiner Herstellung oder Ver- oder Bearbeitung absichtlich zugesetzt werden.

Nicht zu den Lebensmitteln gehören:

– Futtermittel,

– lebende Tiere, soweit sie nicht für das Inverkehrbringen zum menschlichen Verzehr hergerichtet worden sind,

– Pflanzen vor dem Ernten,

– Arzneimittel,

– Kosmetika,

– Tabak und Tabakerzeugnisse,

– Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe,

– Rückstände und Kontaminanten.

Nahrungsergänzungsmittel

Ein Nahrungsergänzungsmittel ist nach der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) ein Lebensmittel, das

1.   dazu bestimmt ist, die allgemeine Ernährung zu ergänzen,

2.   ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physio­logischer Wirkung allein oder in Zusammensetzung darstellt und

3.   in dosierter Form, insbesondere in Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemes­senen kleinen Mengen, in den Verkehr gebracht wird.

Ab dem 01.12.2005 müssen Nahrungsergänzungsmittel als solche gekennzeichnet sein, da die Übergangsbestimmungen gemäß § 7 NemV auslaufen. Werden Erzeugnisse hergestellt und ver­trieben, die Nährstoffe, also Vitamine und Mineralstoffe (einschließlich Spurenelemente) enthalten, so ist darauf zu achten, dass nur die nach den Anlagen 1 und 2 der NemV zulässigen Stoffe verwendet werden. Als Beispiele für Nahrungsergänzungen sind Produkte zu nennen wie bestimmte Calcium- und Vitamin-Präparate, Pilzextrakte, Bienenprodukte, Heilkräuter-Tinkturen und anderes mehr.

Diätetische Lebensmittel

Diätetische Lebensmittel sind gemäß § 1 DiätV (Diät-Verordnung) Lebensmittel, die für eine be­sondere Ernährung bestimmt sind. Dies ist der Fall, wenn die Lebensmittel

1.   den besonderen Ernährungserfordernissen folgender Verbrauchergruppen entsprechen:

a) bestimmter Gruppen von Personen, deren Verdauungs- oder Resorptionsprozess oder Stoffwechsel gestört ist oder

b) bestimmter Gruppen von Personen, die sich in besonderen physiologischen Umständen be­finden und deshalb einen besonderen Nutzen aus der kontrollierten Aufnahme bestimmter in der Nahrung enthaltener Stoffe ziehen können, oder

c) gesunder Säuglinge oder Kleinkinder,

2.   sich für den angegebenen Ernährungszweck eignen und mit dem Hinweis darauf in den Ver­kehr gebracht werden, dass sie für diesen Zweck geeignet sind,

und

3.   sich auf Grund ihrer besonderen Zusammensetzung oder des besonderen Verfahrens ihrer Herstellung deutlich von den Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs unterscheiden.

Diätetische Lebensmittel dienen demnach besonderen Personengruppen bei der Versorgung mit bestimmten Nährstoffen und/oder physiologisch wirksamen Stoffen, um die spezifischen Ernäh­rungsbedürfnisse dieser Gruppen zu befriedigen. Die Erzeugnisse sind besonders zu kennzeich­nen (§§ 2 f. DiätV). Personengruppen sind z. B. Senioren, Leistungssportler oder Schwangere. Diätetische Produkte sind solche, die der Leistungssteigerung und der Regeneration dienen, wie Kreatin- oder Carnitin-haltige Mittel (BGH GRUR 2004, 793 – Sportlernahrung II), Produkte zur Linderung bestimmter Beschwerden, wie Fischölpräparate (OLG Hamburg, ZLR 2005, 266) im Rahmen der Rheuma-Therapie und ähnliches.

Funktional Food (funktionelle Lebensmittel)

Für diese Produktgruppe existiert noch keine explizite Rechtsgrundlage, sie fällt unter die allge­meinen Vorschriften für Lebensmittel (insbesondere EG-Basisverordnung, LFGB). Beispiele für Funktional Food sind probiotischer Joghurt, ACE-Getränke, mit Calcium angereicherte Milch, Riegel mit Zusätzen an Vitaminen und Flavonoiden etc.

Gen-Food / gentechnisch veränderte Lebensmittel

Gentechnisch veränderte Lebensmittel sind gemäß Art. 3 Verordnung (EG) 1829/2003 solche,

– die gentechnisch veränderte Organismen (GVO) enthalten oder aus solchen be­stehen oder

– die aus GVO hergestellt werden oder Zutaten enthalten, die aus GVO hergestellt werden.

Beispiele sind gentechnisch veränderter Mais oder Sojabohnen, Joghurt mit veränderten Bakte­rien, Sojamehl.

Novel Food

Novel Food sind gemäß Art. 1 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 258/97 Lebensmittel, die  vor Inkraft­treten der Novel Food Verordnung (NFV) am 15. Mai 1997 die noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr in der Europäischen Gemeinschaft verwendet werden und die unter folgende Produktgruppen fallen: Lebensmittel

– mit neuer oder gezielt modifizierter primärer Molekularstruktur,

– die aus Mikroorganismen, Pilzen oder Algen bestehen oder aus diesen isoliert wur­den,

– die aus Pflanzen bestehen oder aus Pflanzen oder Tieren isoliert wurden,

– bei deren Herstellung ein nicht übliches Verfahren angewendet wurde, wenn das Verfahren eine bedeutende Veränderung der Zusammensetzung oder Struktur be­wirkt hat, die sich auf den Nährwert, den Stoffwechsel oder auf die Menge uner­wünschter Stoffe im Lebensmittel auswirkt.

Beispiele für Novel Food sind bestimmte (z.T. unverdauliche) Fettersatzstoffe, Extrakte aus exotischen Pflanzen u. ä. Die oben aufgeführten gentechnisch veränderten Lebensmittel fallen nicht in den Anwendungsbereich der Novel-Food-Verordnung.

Ökoprodukte

Ökoprodukte sind Erzeugnisse, die als aus ökologischem Landbau stammend gekennzeichnet sind. Für sie gilt die EG-Öko-Verordnung (Verordnung (EWG) Nr. 2092/91), das Öko-Kennzeich­nungsgesetz und die Öko-Kennzeichnungsverordung. Gemäß Art. 1 EG-Öko-VO werden erfasst:

– nicht verarbeitete Agrarerzeugnisse,

– Tiere und nicht verarbeitete tierische Erzeugnisse,

– für den menschlichen Verzehr bestimmte verarbeitete pflanzliche und tierische Agrarerzeugnisse, die im Wesentlichen aus einer oder mehreren Zutaten pflanzli­chen und/oder tierischen Ursprungs bestehen,

– Futtermittel, Mischfuttermittel und Futtermittel-Ausgangserzeugnisse.

Die Begriffe „Öko“ und „Bio“ werden gleichbehandelt (Art. 2 EG-Öko-VO). Für sämtliche als Öko­produkte gekennzeichnete Erzeugnisse gelten die besonderen Erzeugungsvorschriften des Art. 6 in Verbindung mit den Anhängen I und II der EG-Öko-VO. Daraus bestimmen sich die Grund­regeln des ökologischen Landbaus, die zulässigen Dünge-, Schädlingsbekämpfungsmittel, Zu­satzstoffe, Reinigungs- und Desinfektionsmittel und anderes mehr. Genetisch veränderte Orga­nismen (GVO) und/oder deren Derivate dürfen nicht verwendet werden (Art. 6 Abs. 1 lit. d EG-Öko-VO). Ökologischer Landbau / biologische Landwirtschaft bedeutet gemäß Art 6 Abs. 2 EG-Öko-VO auch, dass bei Saatgut die Mutterpflanze und bei vegetativem Vermehrungsmaterial die Elternpflanze(n)

– ohne Verwendung von GVO und/oder auf deren Grundlage hergestellten Erzeug­nissen,

– zumindest während einer Generation oder bei ausdauernden Kulturen für die Dauer von zwei Wachstumsperioden erzeugt wurden.

Die weiteren Bestimmungen der Anhänge III – VIII der Verordnung regeln u. a. Mindestkontrollan­forderungen der Behörden, für die Erzeugung zulässige Zutaten, Zusatzstoffe und Verarbei­tungshilfsstoffe, Anforderungen an den Lebensraum gehaltener Tiere etc.

Zusatzstoffe

Lebensmittelzusatzstoffe sind nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 89/107/EWG

„ein Stoff mit oder ohne Nährwert, der in der Regel weder selbst als Lebensmittel ver­zehrt noch als charakteristische Lebensmittelzutat verwendet wird und einem Le­bensmittel aus technologischen Gründen bei der Herstellung, Verarbeitung, Zuberei­tung, Behandlung, Verpackung, Beförderung oder Lagerung zugesetzt wird, wodurch er selbst oder seine Nebenprodukte (mittelbar oder unmittelbar) zu einem Bestandteil des Lebensmittels werden oder werden können.“

Die einzelnen Kategorien der Lebensmittelzusatzstoffe finden sich in Anhang I der Richtlinie (u. a. Farbstoffe, Konservierungsstoffe, Stabilisatoren). Die Richtlinie 89/107/EWG gilt nicht für Verar­beitungshilfsstoffe, Pflanzenschutzmittel, Aromen (vgl. hier RL 88/388/EWG) sowie Mineralien, Vi­tamine und andere Stoffe, die Lebensmitteln zu Ernährungszwecken beigefügt werden (Art. 1 Abs. 3 RL 89/107/EWG).

Nachdem die national-gesetzliche Definition für Zusatzstoffe im LMBG von der oben aufgeführten europäischen Definition abgewichen war, ist im LFGB-Entwurf eine weitgehende Anpassung an das Gemeinschaftsrecht vorgesehen (vgl. § 2 Abs. 3 LFGB-E).

Stand: 01.07.2005, Dr. Gordon Grunert, LL.M. Eur., www.anwaltskanzlei-grunert.de